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Folge 49: Der Seelenbrecher

Verfasst: Mo 27. Jul 2020, 19:54
von falko
Eine Klinik an Heiligabend im Schneesturm, ein Killer, und kein John McClane ist in der Nähe, um ihn wegzupusten. Langsam gestorben wird trotzdem, und wir müssen spoilern: das Buch lag auch uns schwer auf der Seele. Achtung, sogar doppelter Spoileralarm! Damit wir das vernünftig erklären können, nehmen wir in dieser Folge keine Rücksicht und verraten direkt ALLE GEHEIMNISSE des Buches. Da es schon einige Jahre auf dem Buckel hat und ein paar Millionen Exemplare da draußen rumschwirren, halten wir das für moralisch vertretbar. Der neuere Roman „Der Insasse“ von Sebastian Fitzek wird allerdings auch gespoilert. Und sein Erstling „Die Therapie“ ebenso ein wenig. Ein ganzer Weihnachtsbaum voller Fitzek-Spoiler, und das schon im Juli.

Viel Spaß mit der neuen Folge!

Folge 49: Der Seelenbrecher

Re: Folge 49: Der Seelenbrecher

Verfasst: Di 28. Jul 2020, 13:55
von Vinter
Hab den Seelenbrecher damals auf Anraten einer Freundin gelesen und bevor ich auch nur fünf Minuten mit dem Podcast verbracht habe will ich einfach mal loswerden: Grauenhaft. Absolut Grauenhaft. Sowas konstruiertes habe ich noch nie (und dankenswerterweise: Auch nie wieder!) gelesen. Gottseidank habe ich mittlerweile das meiste wieder vergessen und kann mich fast nur noch daran erinnern, wie schlecht ich das damals alles fand, aber die Tatsache, dass der Typ, der die ganze Zeit vom Buch in die Rolle des vermeintlichen Irrens gezwängt wird anfängt mit Blut an die Wände zu schreiben, weil er sonst keine andere Möglichkeit hat zum kommunizieren... Alter.

Re: Folge 49: Der Seelenbrecher

Verfasst: Di 28. Jul 2020, 15:41
von Shenmi
Das ist ja das große Problem an den Büchern von Fitzek :
Er schafft es nie, den (erfahrenen) Leser oder die Leserin, das Konstrukt vergessen zu lassen. Und das ist gemeinhin derart durchsichtig, dass ich anfange mich zu ärgern, sowie die Einleitung abgeschlossen ist. Den Rest des Romanes überlegt man dann nur noch, ob er es wirklich so billig auflösen wird. Und er enttäuscht nie.
Ich habe schon einige Romane von ihm gelesen und im Prinzip ist es immer dasselbe Buch. Seine Figuren sind ebenfalls absolut nichtssagend und austauschbar. Mir ist davon auch keine einzige im Gedächtnis geblieben.
Sein großer Erfolg rührt wahrscheinlich von der Tatsache her, dass er leicht zugänglich ist und somit ideal für den Gelegenheitsleser, der sich nur mal berieseln lassen möchte.

Zumindest ist das meine Theorie. Und jetzt höre ich mir erstmal den Podcast an.

Re: Folge 49: Der Seelenbrecher

Verfasst: Di 28. Jul 2020, 16:02
von Ironic Maiden
Danke für die Folge, der Erscheinungstermin hat mir sehr geholfen, da ich gestern Nacht nicht einschlafen konnte und so zumindest etwas Unterhaltung hatte.
Ich habe die besprochenen Bücher nicht gelesen und das auch nicht vor. Von Fitzek kenne ich nur "Passagier 23", das ich vor Jahren mal als Hörbuch gehört habe, und an das ich mich null erinnern kann.

Ganz interessant fand ich die Anmerkungen zu Gewaltdarstellungen angesicht der Folterszene am Anfang von "Der Seelenbrecher". Ich persönlich glaube nicht, dass hier als Opfer eine Frau gewählt wurde, weil das weibliche Leserinnen mehr ansprechen würde. Ich persönlich würde jetzt nie sagen "oh, hier wird eine Frau gefoltert, das zieht mich gleich mehr in die Handlung, weil mich das mehr anspricht". Meinem Eindruck nach ist explizite - auch sexualisierte - Gewalt gegen weibliche Opfer einfach konventioneller und für viele Leser*innen vertrauter. Man denke nur daran, dass in den meisten Mainstream-Krimiserien ständig weiße, möglichst junge, Frauen auf teils sehr drastische Weise umgebracht werden. (Obwohl zumindest in den USA ein Großteil der Gewaltopfer eher männlich und oft auch aus Minderheiten ist.) Weibliche Opfer haben auch den "Vorteil", dass bei ihnen implizit Unschuld angenommen wird. Wenn ein Mann gefoltert wird, denkt man als Leser*in vielleicht stärker daran, was er getan haben könnte, um dies zu verdienen. (Man erkennt dies in der Wirklichkeit auch daran, dass Frauen - insbesondere wenn sie weiß und nicht arm sind - eine erheblich höhere Chance haben, dass ihnen bei Gewalt im öffentlichen Raum durch Dritte geholfen wird.) Und schließlich scheint ein weibliches Opfer im Kontext des besprochenen Romans natürlich noch als billiger Twist zu funktionieren, da so davon abgelenkt wird, dass die Täterin ebenfalls weiblich ist.

Ich lese selbst nicht besonders häufig Thriller von der Bestsellerliste, aber ich bin häufig verblüfft, wie explizit Gewalt dort dargestellt wird. Mich persönlich hat die vorgelesene Eröffnungssequenz angewidert, obwohl ich als Horrorfan eigentlich wenig Probleme mit Gewalt habe. Aber im Kontext von solchen Romanen finde ich das immer nicht nur exploitativ, denn das wäre zumindest irgendwie ehrlich - sondern verlogen. Da liest Person XY seitenweise Folterszenen, aber das ist ja ok, denn es ist ein Krimi/Thriller und damit ist es im Rahmen eines akzeptierten Genres. Mich erinnert das an schlechte Filme, wie z.B. "Split", wo die minderjährige Protagonistin bei jeder Gelegenheit möglichst leicht bekleidet gezeigt wird, aber das ist ja ok, denn Schuld daran ist ja der Killer. Dass wir als Zuschauer*innen hier trotzdem ein junges Mädchen angaffen, wird nicht thematisiert. Und viele Thriller verwenden ganz ähnliche Mechanismen.

Re: Folge 49: Der Seelenbrecher

Verfasst: Di 28. Jul 2020, 17:50
von Shenmi
Für mich war das eine der besten Folgen, die ihr gemacht habt.
Ich musste auf dem Weg zum Einkauf, den ich extra zu Fuß erledigt habe, ein paar Mal richtig laut lachen. Mitten auf der Straße, die Leute dachten sicher, ich habe einen Knall.
Jochen's Rants sind einfach großartig und dieses Mal hat auch Falco nicht so richtig mäßigend wirken können und musste selbst lachen.
Bei der Besprechung ist mir übrigens aufgefallen, dass ich den Seelenbrecher damals auch gelesen habe.
Das Ende habe ich nie gesehen, ich hatte es damals als ein langweiliges Durcheinander deklariert und abgebrochen.
Auch Falco's Einwurf, Fitzek hätte einen anderen Autor erfunden, brachte eine Erinnerung zum Vorschein. Hieß das mich "Die Blutschule" von Max Rhode...oder so ähnlich?
Das war offenbar der traurige Versuch, die vierte Wand zu durchbrechen, ähnlich wie bei Filmen, wo sich die Schauspieler plötzlich direkt an den Zuschauer wenden.
Was hier natürlich kollossal gescheitert ist, was mich angeht.
Wie bei der Beschreibung der Twists denke ich immer nur "Wtf?"

Eigentlich hatte ich auch geplant, mir mal den Passagier 23 zu gönnen, der ja noch auf meinem Reader herum schwirrt.
Aber nach der Folge ist das erstmal wieder in weite Ferne gerückt. Ihr seit die Besten!

Re: Folge 49: Der Seelenbrecher

Verfasst: Mi 29. Jul 2020, 05:31
von Pseudo-Moralist
Ich kann nur jedem, dem der Plot von "der Seelenbrecher" schon abstrus vorkam,empfehlen, sich mal die Wikipedia-Zusammenfassung von Fitzeks neuestem Machwerk "Das Geschenk" (der kurz von Falko erwähnte Analphabet, der ein Mädchen entdeckt, welches ein Schild hochhält) durchzulesen.
Das ist so bescheuert, dass ich mir eine Besprechung im Podcast wünsche

Re: Folge 49: Der Seelenbrecher

Verfasst: Mi 29. Jul 2020, 06:43
von Børge
War wieder eine sehr unterhaltsame Folge. Einziger Kritikpunkt meinerseits wäre, dass ihr euch im Mittelteil doch etwas im Kreis gedreht habt beim Versuch festzustellen ob Fitzek das auch besser könnte. Wie ihr ja richtig erwähnt habt, ist er super erfolgreich und hat seine Zielgruppe / Fans. Warum also etwas ändern? Interessieren würde mich aber durchaus bis zu welchen Punkt er mit der Gewaltästhetik gehen kann.
Selber bin ich mit Fitzeks Bücher nie warm geworden. Mehr als ein paar Leseproben hab ich nie gelesen.

Re: Folge 49: Der Seelenbrecher

Verfasst: Do 30. Jul 2020, 06:23
von NobodyJPH
Sebastian Fitzek kannte ich bisher nur von der Audible Werbung über Auris. Irgendwie hatte ich ihn dadurch auch total negativ abgespeichert. Das Bild von ihm hat der Podcast jetzt nicht unbedingt verbessert, aber es ist schon interessant wie erfolgreich Fitzek mit seinen Büchern ist.

Re: Folge 49: Der Seelenbrecher

Verfasst: Sa 1. Aug 2020, 17:48
von Shenmi
Menschlich scheint er aber ein guter Typ zu sein, ich habe ihn mal bei Markus Lanz gesehen, wo er seinen Roman "Der Insassen" bewerben durfte.
Er kam mir ziemlich intelligent vor, eloquent allemal. Deshalb finde ich die Vermutung nicht abwegig, dass seine Bücher reine Marktanalysen Konzepte sind.
Allerdings würde sich mir dann auch sofort die Frage stellen, ob das auf Dauer den eigenen Anspruch befriedigt. So vorhanden natürlich.
Mittlerweile dürfte er ja mehrfacher Millionär sein und könnte es sich bestimmt leisten, sich mal an anspruchsvoller Literatur zu versuchen. Man weiß aber natürlich immer nicht, ob diese Intention überhaupt vorhanden ist. Das Geschäft läuft ja prächtig und ich gönne es ihm. Das muss man erstmal schaffen, eine solche Bekanntheit zu erlangen. Ich wäre froh, mal 5% seiner Leser zu erreichen.

Re: Folge 49: Der Seelenbrecher

Verfasst: Di 4. Aug 2020, 10:39
von Akill0816
Mein Erstkontakt zu Fitzek war "Die Therapie" zum Erscheinungstermin und das Buch hat mich damals gepackt - wohl mehr aus mangelnder Leseerfahrung im Bereich Thriller als wegen der Qualität des Romans. Alles was ich danach von diesem Autor gelesen habe, war einfach nur noch katastrophal. Der Erfolg von Fitzek ist mir ein absolutes Rätsel.
Das Problem des Thriller-Genre insgesamt ist halt, dass ein geübter Leser jeden gelungenen Twist irgentwann schonmal vorgesetzt bekommen hat. Also bleibt letztlich nur etwas konventionelles oder etwas abstruses zu schreiben. Fitzek geht dabei in einer Weise ins abstruse, dass ich nur den Kopf schütteln kann.
Aber auch amerikanische Thrillerautoren gehen oft in dieselbe Richtung. Ich habe recht lange die Lincoln Rhyme Reihe von Jeffrey Deaver gelesen, weil ich eigentlich anfällig bin für Bücher zu mitraten. Aber auch dort kann ich die Unglaubwürdigkeit, die sich von Roman zu Roman steigert nicht mehr ertragen.
Die ganze Serienkillerthematik ist in einer Weise ausgelutscht wie es schlimmer nicht mehr geht. Ich versuche mitlerweile Krimis über klassische Serienkiller komplett zu meiden.

Was ich immernoch mag ist die Konstellation des von der außenwelt abgeschnittenen Hauses samt Insassen und einem Mörder. Ich bin durchaus bereit ein wenig Unglaubwürdigkeit zu akzeptieren um eine solche Situation zu schaffen wenn die Charaktere überzeugen können. Ein "und dann gabs keines mehr" von Agatha Christie verteidige ich bis heute, obwohl es auch letztlich abstrus war. Aber dort funktioniert der Roman weil nicht die Klischees des modernen Serienkillergenre genutzt werden sondern die Figurenpsychologie im Vordergrund steht und ich daher die recht weit hergeholte Auflösung letztlich mag.

Bei Fitzek werden die Ideen immer schlimmer und dahinter versteckt sich letztlich immer der selbe Roman. Der kommerzielle Erfolg ist mir komplett unverständlich.

Als Anmerkung: Ich würde die Lanze über Dennis Scheck nicht zu stark brechen. Ja, er ist plakativ als Kritiker. Ja er bespricht hauptsächlich "Hochliteratur". Aber er ist Genreliteratur gegenüber durchaus ab und an offen. Er mag King, Martin und Rothfuss und hat auch den ein oder anderen Krimibestseller, den er positiv bewertet.
Leider ist es einfach Fakt, dass die Bestsellerliste von unglaublich viel Schund geflutet wird und Fitzek ist hier das Paradebeispiel. Dass Scheck hier drastische Worte findet, halte ich durchaus für ungebracht.