Folge 55: Spuk in Hill House

Hier wird über die aktuelle Folge diskutiert. Und über alle anderen natürlich auch.
Ironic Maiden
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Re: Folge 55: Spuk in Hill House

Beitrag von Ironic Maiden »

Ich habe heute, als ich mich ums Abwaschen drücken wollte, nochmal Der Untergang des Hauses Usher / The Fall of the House of Usher von Edgar Allan Poe gelesen, weil ich mir das beim Nachdenken über den Podcast wieder eingefallen war. Und tatsächlich, auch da wird das Haus als lebendes, bösartiges Wesen beschrieben und der geisteskranke Roderick Usher bildet sich ein, dass er und das Haus miteinander verbunden seien. Der Erzähler stellt das zwar als Ausdruck des Wahns dar, aber der Text selbst unterstützt die Interpretation, dass Roderick mit dieser Vorstellung Recht hat. Insofern haben wir da schon eine deutliche Inspiration für Hill House.
Oliver Naujoks hat geschrieben: Mi 21. Okt 2020, 06:57 Ist die US-Spukhaus Tradition eine eigene, individuelle Kulturgeschichte oder doch nur eine Ausprägung der europäischen Tradition?
Ich habe über diese Frage ein bisschen oberflächlich nachgegrübelt. Ich könnte mir vorstellen, dass die Vorgeschichte der Spukhäuser in Europa und den USA jeweils anders ist. In Europa sind das oft uralte Adelsfamilien, die in diesen Häusern ansässig sind und deren Dekadenz und Intrigen für das Böse im Haus verantwortlich sind. In den USA würden mir mehr Beispiele für Familien einfallen, die auf unmoralische Art zu Geld gekommen sind. Das "Winchester-Haus", was die Inspiration für viele Spukhäuser ist, wurde z.B. mit den Gewinnen aus der Waffenproduktion finanziert. Das Overlook-Hotel hat auch viele Aspekte, die auf rücksichtslosen Kapitalismus zurückzuführen sind.
(Es gibt in den USA ja tatsächlich viele total wahnsinnige Schlösser, die im frühen 20. Jahrhundert von Industriemilliardären gebaut wurden. Bill Bryson berichtet in "1927" ganz spannend über die extremsten Fälle.)
Aber das ist alles ziemlich vage und eine genauere Untersuchung wäre sicher spannend. Vielleicht in meinem Sabbatjahr...
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Oliver Naujoks
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Re: Folge 55: Spuk in Hill House

Beitrag von Oliver Naujoks »

Manchmal reicht einfach nur eine Nebenbemerkung und dann..
[OT]
Ironic Maiden hat geschrieben: Di 27. Okt 2020, 16:26 (Es gibt in den USA ja tatsächlich viele total wahnsinnige Schlösser, die im frühen 20. Jahrhundert von Industriemilliardären gebaut wurden. Bill Bryson berichtet in "1927" ganz spannend über die extremsten Fälle.)
Ganz herzlichen Dank für diesen tollen Tipp! Das Buch habe ich nicht mal in meine Wunschliste gepackt sondern gleich blind für meinen Kindle gekauft, das ist genau mein Ding.

Wenn es irgendwann mal ein Kapitel 1-Treffen geben wird (nach Covid-19 und so), haben Jochen und Falko ja schon mindestens ein Getränk gut bei mir, weil ich durch sie auf Frederik Backman aufmerksam wurde.
Jetzt möchte ich noch einen Drink mehr ausgeben, wenn Du, Ironic Maiden, auch zu so einem Treffen kommst.

[/OT]
Liest: "Dämmerung", Michael Kleeberg // "Blue Giant Supreme 1-11", Shinichi Ishizuka
Spielt: Robocop: Rogue City, Alan Wake, Ape Out (mal wieder, großartig!), Cyberpunk 2077: Phantom Liberty
Ironic Maiden
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Re: Folge 55: Spuk in Hill House

Beitrag von Ironic Maiden »

Oliver Naujoks hat geschrieben: So 1. Nov 2020, 11:43
Wenn es irgendwann mal ein Kapitel 1-Treffen geben wird (nach Covid-19 und so), haben Jochen und Falko ja schon mindestens ein Getränk gut bei mir, weil ich durch sie auf Frederik Backman aufmerksam wurde.
Jetzt möchte ich noch einen Drink mehr ausgeben, wenn Du, Ironic Maiden, auch zu so einem Treffen kommst.

[/OT]
Da komme ich dann gerne drauf zurück! :D
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Oliver Naujoks
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Re: Folge 55: Spuk in Hill House

Beitrag von Oliver Naujoks »

Ich ziehe den Thread mal wieder hoch, ich habe jetzt endlich mal die Netflix-Serie nachgeholt und poste meine Rezension auf FB auch mal hier. Wer Lust hat, das zu lesen, bitte schön:

"Spoilerwarnung: Höchstwertung folgt.

Bin spät zur Party, aber jetzt so richtig: Als vor drei Jahren „Spuk in Hill House“ auf Netflix anlief, habe ich mich nach einer Folge schaudernd abgewandt, allzu sehr entfernt hatte sich die Adaption vom Roman von Shirley Jackson. Drei Jahre, glühende Empfehlungen von Stephen King und Quentin Tarantino und ein extrem nettes Podcast-Interview (auf The Evolution of Horror) mit Regisseur Mike Flanagan später, habe ich der Serie noch eine zweite Chance (mache ich extrem selten) gegeben..und kann kaum glauben, was mir da passiert ist.

Was passiert ist? Ich sage mal so: Eigentlich wollte ich zu Halloween mal meine Top Ten-Liste der besten Horror-Filme aller Zeiten posten und muss jetzt ernsthaft überlegen, dieses neuneinhalbstündige Netflix-Epos dort mit aufzunehmen, womöglich sogar sehr weit - oder ganz oben. Das hätte ich in meinem kühnsten Träumen nicht erwartet: Diese Version bläst tatsächlich den berühmten 1963er-Film von Robert Wise („Bis das Blut gefriert/The Haunting“) aus dem Wasser, einen meiner Lieblingsfilme(!) - einfach unfassbar.

Ja, diese Version ist recht weit vom Roman entfernt. Flagan hat nur das Haus übernommen und erzählt in zwei parallelen Zeitebenen die Geschichte einer Familie mit fünf Kindern in diesem Haus und dann später, was dieses Haus bei den Kindern als Erwachsene für seelische Narben und Traumata hinterlassen hat. Wobei viele der Figuren so wie im Roman heißen (wo sie nicht verwandt sind) und auch deren Charakterzüge übernommen werden. Das alles ist so hervorragend geschrieben und auch gespielt, dass die fesselnde Sogwirkung einfach enorm ist. Man bangt richtig um diese Figuren, muss allerdings auch gut aufpassen, da werden keine Gefangenen genommen, wenn er zum Beispiel gleich drei brünette Darstellerinnen castet, die man am Anfang kaum auseinanderhalten kann, und die Handlung auch recht verschachtelt ist.

Was aber bei mir jegliche Begeisterungs-Schranken hat fallen lassen: Die mehr als reichlich vorhandenen Spuk- und Gespensterszenen sind handwerklich so meisterlich und wirkungsvoll inszeniert, dass ich mich kaum erinnern kann, bei einer filmischen Spukgeschichte schon jemals so viel Angstlust verspürt zu haben. Insbesondere die mittleren Folgen fünf und sechs enthalten Sequenzen, die ich in dieser Form und so geballt so gut noch nie gesehen habe, meisterlich. Und den Geister-Film, den ich noch nicht gesehen habe..da gibt es nicht so viele. Was für eine schaurige Wonne, und das praktisch ohne Jump Scares oder billige Effekte. Trotzdem bin ich mehrfach fast mit Rolle Rückwärts von der Récamière gesprungen, wenn beispielsweise die Kamera minutenlang auf ein Personen-Ensemble statisch draufhält und ich erst nach einiger Zeit beim genauen Absuchen des ruhigen Bildkaders mit dem Augapfel bemerke, dass da im Hintergrund wohl schon länger eine weißliche Geistererscheinung mit gebrochenem Hals steht – uaaaa!! Meckern kann man fast nichts, ja, manchmal droht das gut geschriebene Drama ins Melodram abzukippen und 1-2 Folgen weniger hätten es vielleicht auch getan, aber das ist meckern auf sehr hohem Niveau.

Im von mir so geliebten Genre des Spukhaus-Films dürfte dieses über zehn Folgen verteilte lange Epos die neue Krönung darstellen, auf der Skala von 1-10 tendiere ich Richtung elf.

Flagan hat ja bereits einige Horror-Filme inszeniert, „Hush“ auf Netflix ist eine schöne und harte Variation von „Wait until Dark“, diesmal mit einer taubstummen statt einer blinden Heldin, und seine King-Verfilmung „Doctor Sleep“ fand ich auch schon großartig, auch wenn die an der Kinokasse unterging, und inszeniert weiter fleißig Serien für Netflix: Sein „Midnight Mass“ läuft ja gerade seit einigen Wochen, ferner verfilmt er Christopher Pikes „Midnight Club“ und er bleibt auch bei Klassikern: James‘ „The Turn of the Screw“ hat er als „Spuk in Bly Manor“ bereits letztes Jahr verfilmt und nimmt sich wohl jetzt für übernächstes Jahr Poes „Untergang des Hauses Usher“ an. Ich gedenke, das alles auf- und nachzuholen.

Oli empfiehlt: Wenn Ihr nur eine TV-Serie in Eurem Leben sehen wollt, dann nehmt „Spuk in Hill House“. Wer bin ich, dass ich Stephen King und Quentin Tarantino widerspreche?"
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falko
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Re: Folge 55: Spuk in Hill House

Beitrag von falko »

Ich freue mich über diese Flanagan-Begeisterung und teile sie vollständig. :)

Hill House hat mich wirklich weggeblasen, vor allem die von dir erwähnten Folgen und Sequenzen. Was kann der Mann mit der Kamera umgehen, ganz großartig. Selbst die One-Shot-Folge funktioniert - zum Glück nie auf so eine selbstverliebte Weise, wie es manchmal der Fall ist, sondern einfach nur gekonnt und unauffällig. Eine Freude, Timothy Hutton in dieser Form zu erleben, überhaupt den ganzen Cast. Und warum habe ich vor Flanagans Filmen nie von Carla Gugino gehört? (tipptipptipp. Wikipedia: "1994 spielte sie im Musikvideo zu Always der Band Bon Jovi mit." Oh.)

Ich finde auch großartig, dass Bly Manor eine ganz andere Atmosphäre hat, dass Flanagan zwar immer auf dem gleichen Instrument spielt, aber die Tonlage verändern kann. Überhaupt ist es schön, wieder jemanden zu erleben, der keine Schnittorgie veranstalten will. Gerade letzte Woche "Doctor Sleep" nachgeholt, und von mir aus kann er jetzt nach und nach alle King-Bücher verfilmen. Was er da aus einem an und für sich mittelprächtigen Buch rausholt, ist beeindruckend.

"Midnight Mass" steht noch aus - ich muss erst die letzte Staffel "Lucifer" schauen. Jaja, ich weiß. :D Ich freue mich drauf, zu erleben, was Flanagan noch zu bieten hat
"I must say I find television very educational. The minute somebody turns it on, I go to the library and read a good book." - Groucho Marx
Jochen
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Re: Folge 55: Spuk in Hill House

Beitrag von Jochen »

Flanagan ist toll, wenn er eine Vorlage (Hill House, King) umsetzt. Seine selbst geschriebenen Sachen (Bly Manor, Midnight Mass) sind Grütze. Schön gespielt und gefilmt, inhaltlich nichts.

*duck*
Ironic Maiden
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Re: Folge 55: Spuk in Hill House

Beitrag von Ironic Maiden »

Jochen hat geschrieben: Mi 27. Okt 2021, 20:05 Flanagan ist toll, wenn er eine Vorlage (Hill House, King) umsetzt. Seine selbst geschriebenen Sachen (Bly Manor, Midnight Mass) sind Grütze. Schön gespielt und gefilmt, inhaltlich nichts.

*duck*
Dies zeugt von einem bedauerlichen Mangel an Flanagan-Wissen. "Bly Manor" ist tatsächlich nicht besonders gut. "Midnight Mass" ist ziemlich gut gelungen, hat aber natürlich Schwächen. Diese beruhen aber vielleicht auch eher auf falschen Erwartungen, wenn man "Hill House" als Maßstab anlegt. Aber "Absentia" und "Hush", die nicht auf einer Vorlage beruhen, sind phantastisch und "Occulus" ist bis auf das letzte Drittel ebenfalls sehr gelungen. Und das Schreiben von Enden ist auch bei King nicht gerade eine Stärke.
Ich persönlich würde auch bezweifeln, dass "Hill House" nur wegen der Vorlage so gut geworden ist. Dafür ist es vom Roman viel zu weit entfernt.
Man sollte vielleicht einen etwas weiteren Blick auf das Gesamtwerk haben, bevor man so pauschal urteilt... :D

Spätere Ergänzung: "Bly Manor", das nicht sehr gut ist, ist ebenso wie "Hill House" die Umsetzung einer Vorlage, nämlich von "Die Drehung der Schraube"/"The Turn of the Screw" von Henry James.
Zuletzt geändert von Ironic Maiden am Mi 27. Okt 2021, 20:46, insgesamt 1-mal geändert.
Jochen
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Re: Folge 55: Spuk in Hill House

Beitrag von Jochen »

Ironic Maiden hat geschrieben: Mi 27. Okt 2021, 20:27Man sollte vielleicht einen etwas weiteren Blick auf das Gesamtwerk haben, bevor man so pauschal urteilt... :D
Man sollte vielleicht das *duck* mitlesen, bevor man sich sooooo einfach triggern lässt :mrgreen:
Ironic Maiden
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Re: Folge 55: Spuk in Hill House

Beitrag von Ironic Maiden »

Jochen hat geschrieben: Mi 27. Okt 2021, 20:45
Ironic Maiden hat geschrieben: Mi 27. Okt 2021, 20:27Man sollte vielleicht einen etwas weiteren Blick auf das Gesamtwerk haben, bevor man so pauschal urteilt... :D
Man sollte vielleicht das *duck* mitlesen, bevor man sich sooooo einfach triggern lässt :mrgreen:
Das hab ich durchaus gelesen, aber so einfach kommt man nicht davon. Da muss ich schon im Detail erklären, wo die Fehler liegen. :geek: :D
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falko
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Re: Folge 55: Spuk in Hill House

Beitrag von falko »

Muss ich jetzt adminmäßig Jochen verwarnen? Hätte Bock!!! :)
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