Ironic Maiden hat geschrieben: ↑Mo 30. Nov 2020, 19:05
Ich kann ja verstehen, dass man sich danach sehnt, dass das was man persönlich gut kann oder weiß endlich mal ein gefragter Skill ist und man dadurch als einziger besondere Aufgaben lösen kann, aber das macht dann noch lange keine interessante und spannende Welt aus, sondern wird im schlimmsten Fall so platt und durchschaubar wie in "Ready Player One".
Leider fällt mir auch bei langem Überlegen kein Text ein, bei dem eine nerdige Hauptfigur nicht in dieser Plotfalle landet.
Ich weiß, was Du meinst und kann das nachvollziehen, aber das ist ja nun gerade die raison d'être des Romans, weshalb ich das nicht so negativ sehen kann. Wenn sich ein Nerd auf anderen Feldern bewähren muss, hast Du halt keine Nerd-Hommage mehr. Die wollte Cline halt schreiben.
Ich habe den Roman für die Fortsetzung nach der Erstlesung aktuell noch einmal wieder gehört dieses Jahr und hatte immer noch sehr, sehr viel Freude damit, auch wenn mir die Schwächen (unelegante Prosa, nicht richtig stimmige Welt, furchtbar viele Ichhaudenplotjetztpassend-Stellen und die eher mäßige romantische Story) durchaus aufgefallen sind. Aber ein Roman, in welchem man WarGames und Zork bereist, das kann ich nur gutheißen.
Auch wenn ich ein großes Problem erst beim zweiten Lesen so richtig gefunden habe: Der Roman macht aus seinen Popkultur-Referenzen nichts, sondern erwähnt diese nur (haben Jochen und Falko auch thematisiert), das stört mich schon sehr, denn damit sind wir im Territorium einer sehr beliebten Serie, die ich zutiefst verachte: The Big Bang Theory. Die macht das ganz genauso. Da funktioniert jeder Gag nach dem Schema:
"(Thema x)? IST JA WIE IN STAR TREK!!" - künstliches Gelächter.
Jeder Gag funktioniert da so. Das hasse ich aus tiefstem Herzen. Ähnlich ist das leider bei Cline.
Jochens Analogie mit Dan Brown-Romanen hat mir gut gefallen, darauf war ich nicht gekommen und ich halte die angesichts des Entstehungsjahres für durchaus naheliegend. Damals, 2011, waren Dan Browns Romane noch deutlich mehr der heiße Shit, was sie ja heute eigentlich nicht mehr sind. Auch wenn sie für Lübbe immer noch die Schatztruhen füllen, zumal dort Preise aufgerufen werden wie in der Anfangszeit des Buchdrucks, aber das nur nebenbei. Ansonsten hat Jochen aber recht: Dan Browns und Ernest Clines Romane funktionierten strukturell sehr ähnlich. Wie übrigens auch die Star Wars-Filme von J.J. Abrams. Ich bin selbst passionierter Gamer, halte aber in Büchern und Filmen von dieser Art des Fetchquest-Storytellings gar nichts.
Mir hat der Podcast gut gefallen, es wurden fast (dazu gleich) alle wichtigen Aspekte angesprochen, die beiden waren sogar milder, als ich es vermutet habe.
Was ich sehr vermisst habe und was die beiden auch angekündigt haben, was dann aber als eine Art Unfall hinten rüber gefallen ist (JUNGS, macht Euch vor ner Aufnahme mal ne To Do-Liste!!): Ich hätte sehr gerne noch ein paar Worte dazu gehört, wie sich die Verfilmung zum Buch verhält. Insbesondere, ob man, und das finde ich wirklich interessant, das große Dilemma hätte anders lösen können. Also das Dilemma, dass der Film aus naheliegenden Gründen aus Rücksicht vor den ganzen Mainstream-Muggles die für dieses Publikum 'exotischen' Referenzen (dazu zählen auch die o.g. WarGames und Zork) gestrichen und durch andere ersetzt hat (ein 0815-Autorennen und Shining z.B.) - und sich dadurch für mich zwei riesige Problemfelder eröffnet hat. Für Fans des Romans wie mich wirkt der FIlm jetzt wie ein Porno, aus welchem man alle Sex-Szenen rausgeschnitten hat und selbst davon abgesehen läuft er mit dem Kopf voraus in die Falle, die ein solcher Stoff mit sich bringt: Er ist, pardon my french, beliebiger, völlig seelenloser Sch+++en-Dreck. Den Film habe ich aktuell auch noch ein zweites Mal gesehen und wieder jede Minute gehasst. Ganz schlimm. Eine virtual reality mit ihrer Künstlichkeit, künstlichen Optik, künstlichen Problemen etc. ist häufig keine dankbare Filmvorlage - zumal sie in einem Film eben nicht interaktiv für uns ist.
Dicke, fette Warnung: Wie Falko habe auch ich bereits die Fortsetzung Ready Player Two intus und fand die ganz, ganz gräßlich, auch und gerade als Fan des ersten Romans. Alles was am Vorgänger ätzend war, wird jetzt auf 10 hochgedreht und Cline macht jeden auch nur erdenklichen Kardinal-Fehler: Der Plot wird einfach nochmal wiederholt (hochgejazzt natürlich), die kulturellen Referenzen erhalten jetzt in der Aufdringlichkeit und Masse Stopfleber-Format, und die Glaubwürdigkeit und Charakterisierung geht völlig über Bord. Am verblüffendsten ist aber, dass der Autor aus dem Quasi-Cyberpunk-Street-Helden des ersten Teils nun einen gelangweilten Multi-Milliardär macht, der sich größtenteils wie ein extrem aufgeblasenes A..loch aufführt. WTF?
Es gibt Dinge, die wünscht man seinem schlimmsten Feind nicht. Dazu zählen u.a. tödliche Krankheiten, Autounfälle, aber auch in Zukunft wohl mal ein Ready Player Three.
Ernest Cline ist ja der amerikanische Constantin Gillies. Den erwähnt Falko ja auch dankenswerter Weise kurz am Rande. Gillies hat gerade den dritten Roman einer Krimi-Trilogie publiziert und dort gibt es einen Helden, der ähnlich drauf ist wie Wade Watts. Was Gillies aber als Vorteil hat: Er kann schreiben. Sein launiger Schreibstil ist enorm unterhaltsam, ich lese jetzt gerade diesen dritten Krimi namens "Systemabsturz" und habe damit große Freude. Schade, dass die beiden Gillies nicht besprechen wollen, obwohl der doch eigentlich extrem ins Beuteschema vor dem Gaming-Hintergrund der beiden passen würde. Wirklich: Der kann schreiben! Aber Jochen hat das ja deutlich ausgeschlossen - wobei Jochen ja auch kein richtiger Gamer mehr ist*.
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* das ist ein aktueller Running-Gag aus dem The Pod-Forum; wer also dort nicht mitliest, möge das bitte nicht als bösen Anwurf missverstehen