Folge 66: Later

Hier wird über die aktuelle Folge diskutiert. Und über alle anderen natürlich auch.
Jochen
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Re: Folge 66: Later

Beitrag von Jochen »

falko hat geschrieben: Mo 15. Mär 2021, 20:11 In diese Diskussion schalte ich mich erst ein, wenn ich 60 bin!!! :D
Na komm. Auf das eine Jahr kommt's doch jetzt echt nicht an.
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falko
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Re: Folge 66: Later

Beitrag von falko »

Jochen hat geschrieben: Mo 15. Mär 2021, 20:56Na komm. Auf das eine Jahr kommt's doch jetzt echt nicht an.
SCHREIBEN SIE MAL GRÖSSER JUNGER MANN ICH SEH NICHT MEHR SO GUT
"I must say I find television very educational. The minute somebody turns it on, I go to the library and read a good book." - Groucho Marx
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Oliver Naujoks
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Re: Folge 66: Later

Beitrag von Oliver Naujoks »

Nachdem ich jetzt deutlich SPÄTER mit dem Roman fertig bin, konnte ich Euren Podcast nachhören. Da Spoiler-Tags wohl nicht funktionieren, VORSICHT, WARNUNG, HIER SEYEN SPOILER!!!! Wer den Roman noch lesen will, möge dieses Posting wegklicken oder -scrollen.

Hm, ich habe nun definitiv keine Vorausgabe, mein englisches E-Book enthielt aber auch diesen Hinweis auf eine unredigierte Vorausgabe. Jetzt habe ich gerade mal nachgesehen und dieser Hinweis ist weg. Hat sich das Buch selbst geupdated? Ich staune. Ich habe mir das definitiv nicht eingebildet, weil ich genau wusste, wovon ihr spracht, als ihr das verhandelt habt. Da war ich definitiv auch drauf gestoßen und hatte das für einen Insider-Gag gehalten, wie am Anfang von Fargo ("Based on a true story").

Was ich sehr spannend fand: Ich habe natürlich erwartet, dass ihr bestimmte Themen verhandelt – ihr habt mir aber einen gepfiffen und über ganz andere Dinge geredet. Das fand ich einerseits sehr spannend und andererseits schade, wobei letzteres kein Kritik sein soll, denn, das ist ja das schöne daran, dass man Bücher unterschiedlich lesen kann.

Was für Jochen sehr wichtig und ein großer Kritikpunkt war, diese Rückbezüge auf „It“ und „Salem’s Lot“ & co., da habe ich einfach so drüber gelesen – da bin ich eher bei Falko, für mich waren das zwar deutliche Bezüge, aber schon im Rahmen dessen, was King sonst auch so macht und keine neue Qualität im ‚Fan-Service‘.

Ich hätte mir viel mehr von Euch eine Diskussion über M.R. James erwartet, denn dessen lesenswerte Geschichte „Oh Whistle, and I’ll come to you, my lad“ von 1904 (zwei Mal toll verfilmt von der BBC in 1968 und 2010 als „Whistle and I’ll Come to You“ – gibt es beide vereint auf einer netten DVD in England) zitiert King ja ständig in „Later“ und es gibt auch motivische Überschneidungen, wenn man etwas ruft, was dann nicht mehr weggeht.
Da habt Ihr an einer Stelle „Later“ auch nicht so genau gelesen oder wiedergegeben: Unser Held entlässt diesen Dämon nicht, weil er ihn ggf. nochmal brauchen könnte oder weil er denkt, das sei keine gute Idee, oder um Fortsetzungen vorzubereiten (glaube ich nicht dran), sondern, das sagt der Roman auch eindeutig, weil dies der einzige Schutz für unseren Helden ist, damit er von diesem Dämon nicht bis in alle Ewigkeit heimgesucht wird – möglicherweise sogar über den Tod hinaus(!), also sogar dann noch, bis die Erde in die Sonne stürzt - oder sogar auch darüber hinaus noch . Wahrlich keine so richtig berückende Vorstellung.

Ein Aspekt, der mir persönlich wichtig war, auf den ihr gar nicht eingegangen seid: Etwas, was ich als eine durchgehende Schwäche in einigen von Kings Werken begreife und auch nicht leiden kann: Wenn die Heldenfigur am Ende zur Lösung von Problemen oder Konflikten einfach auf einen übernatürlichen Deus Ex Machina zurück greifen kann, das mochte ich weder in „Rose Madder“, noch in „Lisey’s Story“, noch hier. Einfach Dämonen rufen und gut ist. Nicht nur, dass ich das billig finde, es reißt mich mangels Glaubwürdigkeit auch aus so einer Geistergeschichte raus. Gut, der Held schafft sich damit neue Probleme, trotzdem mochte ich diese einfache Konfliktlösung nicht. Wurde aber etwas dadurch versöhnt, dass ich das Action-Finale handwerklich hervorragend geschrieben fand – so geht Grusel!

Den entscheidenden Twist habt ihr dann am Ende gar nicht erzählt, nämlich, dass unser Held definitiv nicht wissen wollte, was dem Inzestmotiv noch einen draufsetzt, ob er das Ergebnis von einvernehmlichem Sex war, oder sogar das Produkt einer Vergewaltigung. Das fand ich als abschließende Untiefe ziemlich gelungen.

Ich hatte mit Later insgesamt sehr viel Freude, schließe mich aber Euch an, dass ein guter Lektor diesen schon recht kurzen Roman für Kings Verhältnisse ruhig noch etwas hätte verfeinern können durch geschickt gesetzte Kürzungen.


Am Ende verteile ich noch etwas Umarmungen. Erstmal an Falko: Ich bin auch Riesen-Fan der Autobiographie von Groucho Marx, ich kann auch sämtliche anderen Werke über oder von den Marx Brothers empfehlen – und halte nach wie vor „Duck Soup“ (1933) für die Beste Komödie der Filmgeschichte. Ever.
Und an Jochen: Ich bin auch ein Riesen-Riesenfan von Kings Klammereinschüben. Nur bei dem Gedanken an die zentrale Szene in „The Library Policeman“, die damit besonders geschickt spielt, da bekomme ich heute noch Gänsehaut von, nach 30 Jahren.

Abschließend, Falko, noch zur Aufklärung, warum du „The Colorado Kid“ so verdrängt hast: Du wirst 90% des Buches schlicht nicht mal im Ansatz verstanden haben. Das ist kein Diss, denn um das Buch zu verstehen muss man sich mit Baseball ziemlich gut auskennen. Ich war erstaunt, wie tief King da eingestiegen war (weiß aber natürlich, dass er Fan ist) und fand das als Fan dieser wunderbaren Sportart gerade toll (auch wenn King einem extrem doofen Verein anhängt – was war das wunderbar, als im letzten Godzilla-Film deren Stadion in Schutt und Asche getrampelt wurde, Hallelujah, habe ich da im Kino* noch so richtig Laola gemacht). Die Novelle wurde übrigens in "The Bazaar of Bad Dreams" noch einmal abgedruckt.

Abschließend würde mich Eure Meinung zum Thema Alter interessieren und zwar bei den Referenzen, die King am Anfang nennt. Können Leser, die nach 1990 geboren wurden, mit Namen wie Harold Robbins und Jackie Collins noch etwas anfangen? Ich denke, eher nicht. Da richtete sich King offensichtlich an ältere Leser, die die Zeiten noch kennen, als er sich die Bestseller-Listen mit den beiden Kollegen geteilt hat. Und dann fiel mir ein: Gibt es heute eigentlich noch Autoren die a.) diese Art von sleazy Thrillern schreiben (also unglaubwürdige Handlung mit möglichst viel Sex pro Buchseite?) UND b.) so viel verkaufen wie Robbins oder Collins? Wüsste ich nicht, oder übersehen ich jemanden Großen? Nein, Fifty Shades & co. ist da nochmal ein wenig was anderes, denke ich.



--
* Liebe Kinder, ein Kino war eine Art Theater, in welchem vor Publikum Filme aufgeführt wurden, sowas gab es in der alten Welt™ noch. Heute nicht mehr.
Liest: "Dämmerung", Michael Kleeberg // "Blue Giant Supreme 1-11", Shinichi Ishizuka
Spielt: Robocop: Rogue City, Alan Wake, Ape Out (mal wieder, großartig!), Cyberpunk 2077: Phantom Liberty
Shenmi
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Re: Folge 66: Later

Beitrag von Shenmi »

Ich habe "Later" nun auch gelesen und wenn ich es mit einem einzigen Wort beschreiben müsste, würde ich "unaufgeregt" wählen.
Dies ist - aus meiner Sicht - gleichzeitig die größte Stärke des Buches als auch seine größte Schwäche.
Ich fand, man merkte die King'sche Routine an allen Ecken, es ist fast schon sachlich.
Er spielt mit Elementen, die er aus dem Effeff beherrscht und bringt mich in den für ihn typischen Fluss.
Teilweise ist da wieder dieses "Launige" das nur ganz wenige Autoren hinbekommen und wo ich immer glaube, den Rhythmus des Buches zu hören. Es ist ganz wunderbar.

Was mir ein wenig fehlt sind die Überraschungen, neue Wege, die er noch nicht gegangen ist... Vielleicht hat er es gar nicht mehr nötig und ist auch nicht mehr fähig dazu?
"Later" ist gut, auf dem Plateau welches King erreicht hat und von dem aus er regelrecht in der Vergangenheit schwelgt.
Ich würde mir aber mal wieder den Versuch wünschen, über den Panzer der Schildkröte hinaus zu blicken.
Im Flitzerdunkel würden sicher noch tolle Geschichten warten. Aber es ist wohl anzunehmen, dass er sich nur noch aus dem vorhandenen Fundus bedient. Sich selbst immer wieder zu zitieren, dass muss ein Autor/eine Autorin erstmal schaffen.
Das ist auch okay für mich, wiewohl ich mir nochmal einen neuen Dark Tower wünschen würde.

Um ganz ehrlich zu sein :
Jedem Leser oder Leserin die keine absoluten King Fans sind, würde ich raten, auf den ersten price drop zu warten.
18 Euro für 177 Seiten EBook sind happig, für das Gebotene. Ich ärgere mich nicht über das Geld, habe zu dem Preis aber schon bessere Werke erstanden.
Ich bin eitel, hochmütig, tyrannisch, blasphemisch, stolz, undankbar, herablassend-bewahre aber das Aussehen einer Rose" - Pita Amor
ManuelaR
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Folge 66: Later

Beitrag von ManuelaR »

Mein Fazit von LATER: nette Geschichte, ein bisschen "einfach" für King'sche Verhältnisse.
Das Buch oder eher Büchlein hat mir inhaltlich gefallen, trotzdem bin ich irgendwie enttäuscht, dass King da nicht mehr draus gemacht hat.
Peace & be wild!
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