Sehr interessant sind auch die Namen in der Erzählung:
Der Familienname Creed, also „(Glaubens-)Bekenntnis“, ist beinahe plakativ und stellt sofort den religiösen Bezug her. Übersetzt man es aber mit „Kredo“, also im Sinne von Verhaltenskodex, passt das natürlich ebenfalls zur Geschichte, in der ja einige der gesellschaftlich größten Tabus wie die Ruhe der Toten gebrochen werden.
Rachel bedeutet einfach nur „Mutter“ - das ist ja fast schon ein Scherz. Aber dann:
Louis wird wörtlich mit „berühmter Kämpfer“ übersetzt - und ficht unsere Hauptfigur nicht einen Kampf aus zwischen dem, was der schulmedizinische Verstand als richtig erkennt und was das trauernde, gequälte Herz dennoch aus dem Dunkeln heraus dem leidenden Vater zuflüstert? Wie will man die fünfte und letzte Phase der Trauer, die Akzeptanz, je erreichen, wenn die Versuchung in Form des pervertierten Gottesackers quasi direkt hinter dem Haus sirenenhafte Versprechungen macht?
Dann haben wir Gage, laut dem allwissenden Internet etymologisch vom altenglischen „Guage“ abstammend, was mit „das Maß“ übersetzt wird. Die Bedeutung des Namens ist aber eher „Der Prüfer“. Und Louis wird bei Gott geprüft, oh ja ... und scheitert. Er bringt in seiner Agonie der Trauer nicht die Kraft auf, seinen Sohn ziehen und dessen Grab in Ruhe zu lassen. Insofern sehe ich in der spannenden Garten Eden-Analogie Gage als den Apfel; die Schlange wäre dementsprechend der Friedhof selbst mit seinem unheiligen Versprechen, auf ewig Verlorenes wiederzubringen.
Bei der Tochter Ellie dachte ich erst, die Kurzform käme vom ebenfalls biblischen Elisabeth („Gott ist Fülle“), allerdings verriet mir eine King-Wiki, dass es tatsächlich der Diminutiv von Eileen („Die Wärmende“) ist. Da kann man jetzt natürlich alles und nichts reininterpretieren.
Und Jud? Nun, das ist interessant. Es gilt zumeist als die Kurzform von Jordan. Im Hebräischen bedeutet dies „das Fließende“; ich denke, „Fluss“ ginge auch noch durch.
Dass ausgerechnet Jud viele Menschen indirekt über den Jordan schickt, indem er Louis den Mic Mac-Friedhof zeigt (was ihn, da stimme ich Falko zu, tatsächlich eher zur Eva macht), ist sicher kein Zufall bei dessen Namenswahl.
Im germanischen Sprachraum - und ich traue King als studierter Englischlehrer dieses Wissen durchaus ebenfalls zu - bedeutet Jordan aber eher „wagemutige Erde“. Als ich das gerade gelesen habe, hatte ich wirklich kurz Gänsehaut im Nacken. Das passt zu gut, um Zufall zu sein. Louis wagt es, seinen Sohn auf dem unheiligen Boden zu begraben - und verliert alles, was wirklich wichtig ist. Und wirkt die Beschreibung der Bilderbuchfamilie auf den ersten zweihundert Seiten des Romans nicht geradezu ... paradiesisch?