Honorare

Gepflegte Diskussionen über (gute) Bücher und alles, was damit zu tun hat.
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Hekosi
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Registriert: Do 4. Feb 2021, 11:03

Honorare

Beitrag von Hekosi »

Vielen Dank für die spannende Folge, ihr Beiden! Ich liebe ja auch eure Sammelfolgen und bewundere es, dass ihr über den normalen Podcast es schafft, noch zusätzliche Bücher zu lesen.

Zu dem Thema der Buchbranchenförderung möchte ich noch ein paar Gedanken mit euch teilen. Zunächst einmal ist mir die Studie auch sauer aufgestoßen, zumal die Branche bereits schon sehr gepampert wird mit diversen Preisen, die über das Jahr hinweg vergeben werden. Ein Beispiel ist hier der Verlagspreis, bei dem dieses Jahr ganze 63 Verlage im Gießkannensystem eine Förderung erhalten haben - ironischerweise gab es dann auch noch kritische Kommentare im Börsenblatt, dass einige der Verlage bereits im letzten Jahr den Preis erhalten haben und dies ungerecht sei.

Allerdings finde ich, dass ihr die wirtschaftliche Perspektive bei eurer Kritik gegenüber Autorenhonoraren und der Buchkalkulation im Generellen ein wenig zu sehr außer Acht lasst. Verlage sind in erster Linie Wirtschaftsunternehmen und der gesellschaftliche Auftrag, das Kulturgut Buch voranzutreiben, muss bei kalkulatorischen Gedanken immer hintenan stehen. Wenn man sich einmal eine Buchkalkulation im Detail anschaut, dann kann man erkennen, dass ein Autorenhonorar von etwa 10% Sinn ergibt. Hier eine Kalkulation eines mittelständischen Verlages:

Ladenpreis 11,90€
- Mehrwertsteuer (7%) 0,78€
= Netto-LP 11,12€
- Buchhandelsrabatt (40%) 4,45€
= Netto-Verlagserlös 6,67€
- Vertriebskosten (15% vom Netto-Verlagserlös) 1,00€
- Honorar (10% vom LP) 1,20€
- variable Herstellungskosten (24%) 1,60€
- auflagenfixe Kosten 0,6€

= Deckungsbeitrag des Verlages 2,27€


Wenn man dann den E-Book-Preis auseinandernimmt, dann sieht die Kalkulation meist so oder so ähnlich aus:

Ladenpreis 11,90€
-Mehrwertsteuer (7%) 0,78€
= Netto-LP 11,12€
-Buchhandelsrabatt 4,00€
= Netto-Verlagserlös 7,12€
- Digitale Distribution 0,85€
- Honorar (20% vom Netto-Verlagserlös) 1,42€
- Auflagenfixe Kosten (Konvertierung etc.) 1,15€
- E-Book spezifische Infrastruktur 0,60

= Deckungsbeitrag 3,10€

Beim Deckungsbeitrag sind übrigens noch nicht die Verlagsgemeinkosten wie Personal etc. eingerechnet, hier handelt es sich also nicht um den reinen Gewinn für den Verlag. So habe ich die Verlagskalkulation gelernt, ich weiß, dass in der Praxis viele Verlage gar nicht eine solche Rechnung aufstellen, um ihre Preise und Honorare zu kalkulieren, sondern "nach Gefühl" gehen (dies ist aber ein anderes Thema). Vielleicht wäre es einmal spannend zu sehen, Falco, wie die Kalkulation bei den Verlagen aussieht (sollten sie eine solche haben), bei denen du verlegt wirst.

Bei der Ebookrechnung kann man auch schön sehen, dass die Bereitstellung, Distribution und Wartung von Ebooks eben nicht, wie Falco sagt, vernachlässigbar gering sind. Dies ist eine gefährliche Annahme, die es leider auch immer wieder von Verlagsmenschen gibt. Das führt dazu, dass dann für den Ebookvertrieb und dessen Wartung niemand eingestellt wird, sondern dies alles nebenher laufen muss, von häufig überfordertem Personal. So etwas erfordert Informatikkenntnisse, die nur sehr wenige Verlagsmenschen haben, und dann kann das ja auch alles nichts werden. Wenn die Digitalisierung vorangetrieben werden soll, und da bin ich ganz bei dir, Falco, dann muss man auch bereits bei solch trivial erscheinenden Dingen wie der Aufgabenverteilung und dem Know How der Verlagsangestellten beginnen und damit enden, dass man das Bewusstsein in der Branche und beim Endverbraucher schärft, dass Ebooks nun mal in der Herstellung ähnlich teuer wie Printbücher sind.
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falko
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Re: Honorare

Beitrag von falko »

Danke dafür!

In der ganzen Verwertungskette sind so viele Beteiligte enthalten, die sich den gesamten Kuchen aufteilen wollen, die sich natürlich nicht behindern wollen, um ihrem Produkt zu schaden, aber sich auch nicht unter Wert verkaufen wollen. Wenn ich selbst darüber rede, dann natürlich einzig aus der Autorensicht und dann channele ich den Harlan in mir. Da ärgere ich mich beispielsweise bei der Diskussion um die VG-Wort-Beträge, wenn die Kreativen sich auf die Seite der Verlage ziehen lassen und sagen: naja, wir wollen ja auch, dass es den Verlagen gut geht, also sollen sie ruhig alles haben.

Wir haben Verlage, Zwischenhändler, Läden und Kreative. Dazu kommen noch Dienstleistungskosten wie ggf. Übersetzung, Lektorat, Druck, Lagerung. Ja, klar, das kostet alles in allem eine Menge Geld, aber für MICH zählt letzten Endes, was bei mir ankommt. Natürlich sollen bitte alle leben können, aber wenn es bei mir nur um 10% geht, ist logisch, dass um die restlichen 90% besonders intensiv gefeilscht wird, während beim Autor*innenhonorar die Prozente in Stein gemeißelt sind. (Es gibt eine einfache und logische Lösung: Staffelung der Honorare. Je erfolgreicher ein Buch ist, desto mehr Prozente für die Kreativen. Ich habe auch schon erlebt, dass mit dem "Argument", das verkompliziere die Buchhaltung, so etwas abgebügelt wird.)

Ich bitte da um Verständnis für meine Perspektive. Wenn man 6 - 12 Monate Arbeit in ein Buch investiert, dann erst mal darum kämpfen muss, überhaupt einen Verlag zu finden, ein paar tausend Euro Vorschuss zu bekommen, in der Hoffnung, irgendwann über mit den Tantiemen über den Vorschuss hinaus noch etwas zu erhalten, aber dann erlebt, dass das Buch absäuft, während die anderen Beteiligten in der Verwertungskette ihre eigenen Pfründe sichern wollen, kann das etwas deprimierend sein. Mit Blick auf deine Kalkulation: 10% muss ich als Autor überhaupt erst mal bekommen, das kann auch weniger sein. Dafür scheint mir ein Buchhandelsteil von 40% zu wenig zu sein. Da der Verlag natürlich sein Stück so groß wie möglich halten muss, aber der Handel absolut entscheidend für den tatsächlichen Verkauf ist ... tja.

Als Autor kann ich nur das bestmögliche Manuskript abliefern, der Rest liegt nicht mehr in meiner Hand:
- Der Verlag entscheidet über Vermarktung, Covergestaltung, Erscheinungstermin.
- Der Vertrieb kocht dann sein eigenes Süppchen. Wenn's schlecht läuft, kommt dein Buch bei der Vertriebsleitung nicht gut an oder die ersten Bestellungen aus dem Handel sind zu niedrig - zack, das Buch ist schon eine "lame duck", bevor es erschienen ist.
- Dann beobachtet man, dass gleichzeitig irgendein Youtube-Star ein liebloses Buch auf den Markt drückt, natürlich bei einem größeren Verlag, und das Ding geht durch die Decke, weil der sein Käuferschar automatisch mitbringt ...

Ganz ehrlich: würde ich gerade als Autor anfangen, würde ich es als Selfpublisher machen. Die Chancen, als Verlagsautor leben zu können, sind genauso gering wie als Selfpublisher. Wenigstens habe ich dann noch die volle Kontrolle über mein Werk.

Ich habe vor, im Herbst eine Folge zu machen, die das ganze Thema etwas intensiver beleuchtet, aber da will ich jetzt noch nicht zu viel versprechen. :)
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Haplo
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Re: Honorare

Beitrag von Haplo »

Ich komme mir nach zwei so guten langen Beiträgen zwar etwas komisch vor, aber für mehr reicht die Zeit nicht ...
Was mich an der Rechnung oben wundert, sind die 4 EUR Buchhändlerrabatt. Ein eBook braucht doch keinen Buchhändler!? Und selbst wenn; dann sind die Kosten wohl kaum so hoch, wie für den stationären Handel (und die Kosten für die digitale Distribution sind dann auch doppelt drin). Oder übersehe ich da was?
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falko
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Re: Honorare

Beitrag von falko »

Haplo hat geschrieben: Fr 18. Jun 2021, 18:46 Ich komme mir nach zwei so guten langen Beiträgen zwar etwas komisch vor, aber für mehr reicht die Zeit nicht ...
Was mich an der Rechnung oben wundert, sind die 4 EUR Buchhändlerrabatt. Ein eBook braucht doch keinen Buchhändler!? Und selbst wenn; dann sind die Kosten wohl kaum so hoch, wie für den stationären Handel (und die Kosten für die digitale Distribution sind dann auch doppelt drin). Oder übersehe ich da was?
Vielleicht kann @hekosi das noch konkreter beschreiben, aber soweit ich weiß, gibt es Lizenzverträge, in denen auch der Handel an den digitalen Erlösen eines Titels mitbeteiligt wird. Im Tolino-System kann man wohl eine konkrete Buchhandlung benennen, die sozusagen als "Digitalhändler" beteiligt wird, aber ich weiß nicht, ob das mit Kindle-Titeln ähnlich gehandhabt wird (da müsste es nach dem Ausschüttungsprinzip laufen). Ich glaube, das Argument dafür war: Handel sorgt für Sichtbarkeit eines Titels, und es ist alles ein großer Markt, in den Digitalverkäufe und Printverkäufe zusammengenommen werden sollen, sodass die gesamte Verwertungskette davon profitiert.

Was rein digitale Selfpublisher zurecht anders sehen.
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Haplo
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Re: Honorare

Beitrag von Haplo »

Danke für die Erklärung. Wenn 40% des eBook-Preises weiterhin an den stationären Handel geht, ist es ja nun kein Wunder, wenn es heißt, dass man eBooks nicht günstiger anbieten kann als physische Bücher. Ich nenne das eine selbsterfüllende Prophezeiung ...
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falko
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Re: Honorare

Beitrag von falko »

Das ist jetzt von mir keine 100 Prozent wasserdichte Information, und es wird von Verlag zu Verlag und Titel zu Titel anders sein ...
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Hekosi
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Re: Honorare

Beitrag von Hekosi »

Hallo in die Runde,
ich bin gespannt auf die Herbstfolge zum Thema Honorare, Falko! Ich kann genau verstehen, dass es frustrierend ist, dass nur solche geringen Honorare gezahlt werden. Wenn man für ein Buch nur wenige Tausend Euro bekommt (wenn überhaupt),obwohl jahrelange Arbeit drinsteckt, dann ist das Wort „frustrierend“ noch nett ausgedrückt. Ohne den Autor kann der Verlag nicht überleben. Das System ist aber sehr vielschichtig und es gibt viele Dienstleister, die auch ihren Teil des Kuchens abbekommen wollen. Im Übrigen ist die Arbeit in einem Verlag auch alles andere als gut bezahlt. Je nachdem, in welcher Stadt man wohnt (und die meisten Verlage sind unverständlicherweise in München, der teuersten Stadt überhaupt, angesiedelt), kann man von dem Verdienten auch kaum leben. Es wird immer, wie bei den Autoren, davon ausgegangen, dass man aus Leidenschaft dem Beruf nachgeht und dies über dem Verdienst stehen sollte.
Es ist alles Verhandlungssache, das stimmt schon. Ein Erstlingsautor wird bei einigen Verlagen sicherlich auch nur mit 7% abgespeist, ein Fitzek bekommt sicherlich einen sechsstelligen Vorschuss. Die einzige Stellschraube, die mir noch einfallen würde, wäre der Nettoladenpreis. Und hier kann man leider auch immer wieder in Studien sehen, dass die Zahlungsbereitschaft der Kunden eher zurückgeht als steigt. Zumindest, wenn wir hier solche Bestsellerautoren wie Ken Follett und Dan Brown ausklammern, bei denen Bastei Lübbe vor einigen Jahren fast 40€ für die Neuerscheinung verlangt hat.

@Haplo: Der Buchhändler, der auch Ebooks im Sortiment hat, ist trotzdem für dessen Vertrieb und die dafür benötigte Infrastruktur zuständig. Im Prinzip ist es der gleiche Gedanke wie der Buchhändlerrabatt bei gedruckten Büchern. Und ja, das wird auch vielerorts der Grund sein, warum Ebooks nicht günstiger angeboten werden. Ich habe mal in einem (Fach-)Verlag gearbeitet, bei dem die Ebooks sogar noch teurer waren als das gedruckte Buch, mit der Begründung, dass das Ebook ja bei dieser speziellen Zielgruppe noch mehr abgesetzt wird als das gedruckte. Zugegeben, deren Ebooks waren interaktiv, man konnte also Fragebögen etc ausfüllen und bekam danach die Auswertung, aber trotzdem ist ein solches Geschäftsmodell mehr als fraglich.
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