Was lest ihr gerade?

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falko
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Re: Was lest ihr gerade?

Beitrag von falko »

Oliver Naujoks hat geschrieben: Do 11. Nov 2021, 10:27Zum anderen lese ich "Schattenschwarz" von Torsten Scheib. Torsten ist ein Autor von Dark Fantasy und Horror-Geschichten (auch aus dem Umfeld des Marburg Cons), den eine leicht schnodderige Schreibe und Humor auszeichnet. Sein Facebook-Profil ist sehr witzig, weil er wirklich extrem dort seinen Obsessionen folgt, insbesondere seiner Liebe für James Bond und Rush - und seiner Abneigung für die AfD und Coldplay. ;)
Ich möchte Torsten auch noch lobend erwähnen als Kurator der besten 80s-Playlist auf Spotify und jemand, der mir immer neue altmodische Musik empfiehlt, zuletzt diese Band aus MANNHEIM, of all places.
"I must say I find television very educational. The minute somebody turns it on, I go to the library and read a good book." - Groucho Marx
Ironic Maiden
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Re: Was lest ihr gerade?

Beitrag von Ironic Maiden »

Ich lese gerade Identitti von Mithu Sanyal für meinen Lesekreis. Der Plot hört sich zunächst so an, als habe sich die Autorin bemüht, ein möglichst kontroverses Fass aufzumachen und im Idealfall möglichst viele Leute zu triggern:

Die Protagonistin ist Nivedita, die Postcolonial Studies studiert und einen indischen Vater und eine deutsche Mutter hat. Nebenher schreibt sie unter dem Pseudonym Identitti Blogposts, in denen sie in imaginierten Zwiegesprächen mit der Göttin Kali vor allem über race und Sex sinniert. Eines Tages stellt sich dann heraus, dass die von ihren Studierenden nahezu kultisch verehrte Professorin Saraswati in Wirklichkeit Sara Vera Thiemann heißt und weiß ist und nicht, wie von ihr immer behauptet, indischer Herkunft. Natürlich bricht ein Shitstorm aus und Nivedita wird in diesen mit hineingezogen.

Der Roman besteht zu großen Teilen aus Gesprächen der Beteiligten über race, Herkunft, Rassismus und alles, was noch in diesen Themenkreis fällt. Dabei bezieht er aber kaum eigene Stellung, sondern jede Figur kann ihre Position darlegen, ohne von Seiten der Autorin - aber schon von anderen Figuren im Text, die aber jeweils auch wieder eigene Schwachpunkte haben - verurteilt oder lächerlich gemacht zu werden. Selbstverständlich ist dies ein Diskurs, der überwiegend im linken, akademischen Millieu stattfindet und völlig gegenläufige, konservative Meinungen kommen höchstens als trollige Twitterposts vor, aber auch innerhalb der Linken gibt es ja komplett unterschiedliche Positionen zu vielen dieser Themen und zahllose Grabenkämpfe.

Und über diese Grabenkämpfe denkt der Roman mMn sehr clever nach. Ja, bei vielen Punkten denke ich mir schon "meine Fresse, man kann sich aber auch echt an Details hochziehen!" , aber es sind eben auch meist nicht meine Erfahrungen, um die es hier geht. Ich finde ihn bisher anstrengend und fordernd, aber sehr unterhaltsam und er bringt mich dazu, über Themen in einer größeren Differenziertheit nachzudenken, als ich dies sonst tue.
Spaßig ist der Stil auch, auch wenn ich von dem vielgelobten Humor des Textes nicht so viel erkennen kann. Ist wohl nicht ganz meiner. Die Sprache, die stark von englischen Begriffen durchsetzt ist, fand ich anfangs etwas nervig. Ich dachte zuerst, dass die Autorin viel jünger als ich sei, und ich deswegen anders an die Sprache herangehe. (Stimmt aber nicht, die Autorin ist 10 Jahre älter als ich...) Aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt.

Ich würde das Buch definitiv nicht allen empfehlen, aber ich bin gerade recht glücklich es zu lesen, und vor allem auf die Diskussionen mit anderen darüber gespannt.
ekronicity
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Re: Was lest ihr gerade?

Beitrag von ekronicity »

Ich bin auch so ein Leser, der immer in zehn Büchern gleichzeitig liest. Daher nur die aktuellen Sachen, die mich wirklich begeistern.

Wiedergelesen: Ich habe anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Veröffentlichung von Jonathan Franzens Die Korrekturen (The Corrections) diesen Roman zum ersten Mal seitdem wieder gelesen. Ich hatte davor ein wenig Angst, weil ich den Roman als junger Student heiß und innig geliebt habe und fürchtete, er könne mir jetzt fad erscheinen. Ich wurde positiv überrascht: Er ist immer noch unglaublich gut, sehr rührend, pointiert erzählt, witzig, melancholisch... kurz: Wärmste Empfehlung für diesen modernen Klassiker. Auf zum aktuellen Franzen-Roman.

Gerade ausgelesen: Sophie Calles Das Adressbuch ist ein sehr besonderes Buch. Gerade auf Deutsch bei Suhrkamp erschienen, schmaler Band, liest man in zwei Stunden aus. Autobiografisch: Die Autorin findet in Paris ein Adressbuch und beschließt, alle dort verzeichneten Leute aufzusuchen und nach dem Besitzer des Buches zu befragen. Ohne dass wir diesen Besitzer je selbst kennenlernen, erfahren wir viel über ihn, darunter auch viel Widersprüchliches und viel Intimes. Ein besonderer Text, wärmste Empfehlung.

Am Lesen: Ocean Vuongs vielgelobten Debüt-Roman On Earth We Re Briefly Gorgeous. Ich war über die Freundschaft von Vuong zu Ben Lerner (fantastischer Autor) auf diesen Text aufmerksam geworden. Ich bin bei der Hälfte und sehr begeistert. Man spürt, dass Vuong Dichter ist, die Sprache ist, auch wenn das ein abgeschmacktes Klischee ist, sehr poetisch. Ich weiß nicht, wie die dt. Übersetzung ist, aber das englische Original liest sich wunderschön. Er berührt mich sehr oft durch die Nähe von Zärtlichkeit und Brutalität.

Abgebrochen: Ich gebe Büchern meist ca. 100 Seiten, spätestens dann breche ich sie ab, wenn sie mich nicht ansprechen. Das passiert mir zum Glück nur selten, da ich fast nie wahllos auf Entdeckungsreise gehe, sondern mich durch bestimmte Kritiker*innen leiten lasse. Aber manchmal geschieht es eben doch, dass mal ein Roman darunter ist, den ich nicht weiterlesen kann. Dieses Mal war es "ein Klassiker", Ernst Jüngers Auf den Marmorklippen. Der Roman hat eine Prise Eichendorff (Heimat, Heimweh, Wald, Natur) gemischt mit einer großen Dosis Novalis (blau, schwermütig), plus einen Hauch Trakl obendrauf (etwas wirr vergrübelt). Wer's mag. Ich fand's unvorstellbar langweilig. Don't @ me....
Feamorn
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Re: Was lest ihr gerade?

Beitrag von Feamorn »

Man war ich lange nicht mehr hier... 🙈
Jetzt bin ich aber zuletzt endlich nochmal zum Lesen gekommen (gekauft habe ich natürlich dennoch fleissig, entsprechend gigantisch mein Bücherstapel...).

Gerade fertig gelesen:

Jasmina Kuhnke - Schwarzes Herz
Das Buch hab ich mir tatsächlich vorbestellt und am Wochenende nach Erscheinen (die Buchhandlung hat es mir erst Samstags vorbei gebracht) auch in einem Rutsch durchgelesen.
Ich folge Kuhnke, a.k.a. quattromilf, schon eine ganze Weile bei Twitter und Instagram und war auf diesen biographisch gefärbten Roman doch einigermaßen gespannt und bin tatsächlich auch nicht enttäuscht worden.
Ich habe zum Teil etwas Kritik an der verwendeten Sprache mitbekommen, die kann ich aber nicht so recht teilen. Klar ist das eher Umgangssprache, teils auch derbe, aber eben auch ziemlich zum Sujet passend. Die unbenannte Erzählerin berichtet von Alltagsrassismus, Gewalt in Beziehungen, daraus entstehenden Problemen mit ihrer Identität etc. Das passte für mich einfach alles zusammen und ließ sich auch prima weglesen.
Zumindest sprachlich. Inhaltlich musste ich tatsächlich ein paar Mal pausieren, denn auch wenn mir die Themen und Umstände alle bekannt sind, so schafft Kuhnke des doch, das noch sehr viel plastischer darzustellen, als man es durch Schilderungen durch Betroffene in journalistischen und sozialen Medien sonst meist wahrnimmt.
Harter Stoff, aber wichtig. Ich wünschte es bräuchte solche Bücher nicht, es müsste sie nicht geben, und bin doch froh, dass es existiert und es gelesen zu haben.

Thomas Harris - Red Dragon
Die Lecter-Bücher wollte ich seit Jahren endlich Mal anfangen, war stets Freund der Filme und bin ein riesiger Fan der Hannibal-Serie. Nun habe ich mir neulich endlich einmal den ersten Band für den Kindle gegönnt und dann auch relativ zügig durchgelesen.
Die erste Hälfte fand ich tatsächlich etwas ernüchternd, später zog das ganze aber dann doch ganz gut an und hat mir mehr Freude bereitet.
Ich werde die späteren Bände bestimmt auch noch lesen, aber so den extremen Antrieb hat Red Dragon alles in allem leider etwas gebremst, weshalb es nun in der Prioritätenliste erstmal etwas abgesackt ist. Dennoch eine Bereicherung, denn obwohl ich die Geschichte in mehrfachen Interpretationen kannte, fand ich insbesondere im Bezug auf die Figur von "D." doch noch einiges Neues und Aufschlussreiches.

Neu angefangen:

Paolo Bacigalupi - The Windup Girl
Die Folge mit Christian Stöcker neulich hat zu einem spontanen kleinen Kaufrausch englischer eBooks geführt, das ist jetzt das erste. Bin erst ein paar Seiten drin, die fand ich tatsächlich etwas sperrig zu lesen bislang, was vor allem am Vokabular liegt, bin bislang aber durchaus Neugierig, was diese ersten Skizzenstriche für eine Welt andeuten. Mal schauen, wie das weiter geht.


Ansonsten liegt noch eine ganze Menge angefangener Bücher herum, denen ich mich aber meist so lange nicht mehr gewidmet habe, dass ich meist eh noch einmal neu anfangen muss, weshalb ich sie auch dann erst nennen werde.
Feamorn
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Re: Was lest ihr gerade?

Beitrag von Feamorn »

Ironic Maiden hat geschrieben: So 14. Nov 2021, 14:29 Ich lese gerade Identitti von Mithu Sanyal für meinen Lesekreis. [...]
Ich würde das Buch definitiv nicht allen empfehlen, aber ich bin gerade recht glücklich es zu lesen, und vor allem auf die Diskussionen mit anderen darüber gespannt.
Ah, da bin ich auch gespannt! Das liegt auch seit geraumer Zeit auf meiner Einkaufsliste, und seit ein paar Tagen auch auf dem Weihnachtswunschzettel, vielleicht hab ich es also bald schon. :)
Ironic Maiden
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Re: Was lest ihr gerade?

Beitrag von Ironic Maiden »

Feamorn hat geschrieben: Sa 27. Nov 2021, 00:28
Ironic Maiden hat geschrieben: So 14. Nov 2021, 14:29 Ich lese gerade Identitti von Mithu Sanyal für meinen Lesekreis. [...]
Ich würde das Buch definitiv nicht allen empfehlen, aber ich bin gerade recht glücklich es zu lesen, und vor allem auf die Diskussionen mit anderen darüber gespannt.
Ah, da bin ich auch gespannt! Das liegt auch seit geraumer Zeit auf meiner Einkaufsliste, und seit ein paar Tagen auch auf dem Weihnachtswunschzettel, vielleicht hab ich es also bald schon. :)
Ich bin jetzt damit durch und auch das Ende hat mir gut gefallen. Ich kann mir aber vorstellen, dass das Buch mich ohne die Aussicht auf die Diskussion darüber etwas ratlos zurückgelassen hätte und ich bin sehr froh, die Aussicht auf den Lesekreis zu haben. Für mich ist es zwar einerseits ein gut lesbarer Roman, aber andererseits - und wahrscheinlich noch mehr - ein Gesprächsanreiz bzw. ein Text, der provozieren und zum Austausch anregen will und kann. Ich würde mir an deiner Stelle vielleicht schonmal potentielle Gesprächspartner*innen suchen, denen man das Buch dann einfach (ganz uneigennützig :D ) zu Weihnachten schenkt...
Feamorn
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Re: Was lest ihr gerade?

Beitrag von Feamorn »

Ironic Maiden hat geschrieben: Sa 27. Nov 2021, 15:47
Feamorn hat geschrieben: Sa 27. Nov 2021, 00:28
Ironic Maiden hat geschrieben: So 14. Nov 2021, 14:29 Ich lese gerade Identitti von Mithu Sanyal für meinen Lesekreis. [...]
Ich würde das Buch definitiv nicht allen empfehlen, aber ich bin gerade recht glücklich es zu lesen, und vor allem auf die Diskussionen mit anderen darüber gespannt.
Ah, da bin ich auch gespannt! Das liegt auch seit geraumer Zeit auf meiner Einkaufsliste, und seit ein paar Tagen auch auf dem Weihnachtswunschzettel, vielleicht hab ich es also bald schon. :)
Ich bin jetzt damit durch und auch das Ende hat mir gut gefallen. Ich kann mir aber vorstellen, dass das Buch mich ohne die Aussicht auf die Diskussion darüber etwas ratlos zurückgelassen hätte und ich bin sehr froh, die Aussicht auf den Lesekreis zu haben. Für mich ist es zwar einerseits ein gut lesbarer Roman, aber andererseits - und wahrscheinlich noch mehr - ein Gesprächsanreiz bzw. ein Text, der provozieren und zum Austausch anregen will und kann. Ich würde mir an deiner Stelle vielleicht schonmal potentielle Gesprächspartner*innen suchen, denen man das Buch dann einfach (ganz uneigennützig :D ) zu Weihnachten schenkt...
Potentielle Kandidaten sind hier leider rar gesät... (Also: niemand) :-/
Mal schauen, was ich danach mache... 🙈
Ironic Maiden
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Re: Was lest ihr gerade?

Beitrag von Ironic Maiden »

Ich habe eben gerade The Last House on Needless Street / Das letzte Haus in der Needless Street von Catriona Ward beendet und kann es nur wärmstens empfehlen.

Die Grundprämisse ist ziemlich simpel: Ein kleines Mädchen verschwindet bei einem Ausflug an einem Badesee und niemand weiß, was mit ihr passiert ist. Was das Buch auszeichnet, ist die Art und Weise der Erzählung. In relativ kurzen Kapiteln wechseln sich mehrere Erzähler ab. Ted, ein exzentrischer, möglicherweise geistig eingeschränkter Mann, Dede, die ältere Schwester des verschwundenen Kindes, und Olivia, Teds Katze, die bei Problemen die Bibel vom Tisch wirft und aus dem aufgeschlagenen Text Gottes Willen erschließen will. Aus diesen verschiedenen Stimmen setzt sich nach und nach zusammen, was damals wirklich passiert ist und es gibt eine ganze Menge überraschender Wendungen. Einige davon mögen für viele Leser*innen nicht allzu überraschend sein, aber dennoch ist die schiere Menge an Twists eine helle Freude.
Ein besonderer Spaß waren für mich die Kapitel aus der Perspektive der Katze. Ich bin kein großer Katzenfreund, aber die Arroganz und das überragende Selbstbewusstsein, das aus jedem Satz spricht, sind das katzenhafteste, das ich je gelesen habe. So überlegt Olivia zum Beispiel, dass sie eigentlich eine eigene Fernsehshow ("CATching up with Olivia") haben sollte, in der sie über die verschiedenen Arten von Nickerchen informiert, da sie schließlich so "klug und fotogen" ist, und die Zuschauer sicher davon profitieren würden.

Der Roman ist durch seine Struktur etwas anstrengender zu lesen als der durchschnittliche Thriller, aber meiner Meinung nach lohnt es sich auf jeden Fall.
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Oliver Naujoks
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Re: Was lest ihr gerade?

Beitrag von Oliver Naujoks »

Was habe ich in letzter Zeit so gelesen?

Da mein letzter Bericht schon wieder etwas her ist und ich in den draußen ungemütlichen Monaten auch deutlich mehr Lust zum Lesen hatte, haben sich schon wieder so einige Titel angesammelt, von denen ich zumindest kurz erzählen möchte.

Gerade heute beendet habe ich “Die Saat des Hasses” von Markus K. Korb, der zwar bereits seit 20 Jahren erfolgreich als Kurzgeschichtenautor und Herausgeber im Horror/Grusel-Genre tätig ist, hiermit aber tatsächlich seinen allerersten Roman vorgelegt hat. Das Buch handelt im wesentlichen von einem Mann, der in einem Schweizer Bankschließfach von seinem Vater zusammengestellte Berichte liest über tja, wir wollen nicht zu viel verraten, aber etwas wirklich Übles hat der da zusammengetragen. Dabei springt der Roman durch viele Jahre, Kontinente und Settings, wobei der Autor gerne große Genre-Vorbilder und anderes zitiert oder anklingen lässt. Normalerweise mag ich es nicht so, weil anstrengend, wenn ich mich ständig auf neue Figuren und Settings einlassen muss, es spricht aber offensichtlich für diesen Roman, dass ich die „Saat des Hasses“ für meine Verhältnisse schnell und zügig durchgelesen habe. Der sorgfältige Stil und der gekonnte Szenenaufbau haben mir gut gefallen. Auch mag ich es sehr, wenn Autoren mir erfolgreich verkaufen können, dass sie wissen, wovon sie da schreiben. Der Band hätte gern noch etwas länger sein können, dass Ende wirkt fast etwas gehetzt.
Wieder mal auf den Geschmack gekommen, werde ich vom selben Autor jetzt noch sein „Das raunende Wrack“ nachholen, seine noch aktuellste Kurzgeschichtensammlung, die noch ungelesen auf meinem Stapel liegt.

Die nächsten Tage werde ich, das für mich eher ungewöhnlich, zu einem größeren Wälzer zurückkehren, den ich letztes Jahr einmal beiseite gelegt hatte; ein Weglegen ist bei mir fast immer endgültig. Ich meine den Band „Crime Fiction of the 1920s“ von Leslie S. Klinger, den ich letztes Jahr mit großem Vergnügen begonnen und enorm viel drumherum und nebenher gelesen hatte über Detektive wie Charlie Chan und Philo Vance, und überhaupt die Kriminalliteratur des frühen 20. Jahrhunderts. In den in diesem dicken Band enthaltenen dritten Roman, „The Roman Hat Mystery“ von und mit Ellery Queen, war ich aber irgendwie nicht richtig reingekommen und hatte den Wälzer dann weggelegt (bzw., da Kindle, weg gedrückt). Jetzt möchte ich dem Queen Roman und damit auch diesem Band noch eine Chance geben und das größer als je zuvor: Der Klinger-Band enthält außerdem noch den von mir noch nicht gelesenen Gangster-Roman „Little Ceasar“ von W.R. Burnett, den ich noch lesen muss, und: Ferner enthielt die Printausgabe im Gegensatz zu dem von mir gelesenen E-Book auch noch die wohl sehr blutige Gangsterballade „Red Harvest“ von Dashiell Hammett aus seinem Continental Op- Detektivzyklus. Diesen Roman habe ich mir als E-Book schlicht und einfach hinzu gekauft, wie auch „The Tower Treasure“ von Franklin W. Dixon, den der Herausgeber Klinger furchtbar gerne in seinen Band mit aufgenommen hätte, aber dann doch nicht verwenden durfte oder konnte. Auch diesen habe ich mir einfach gesondert als EBook besorgt und werde ihn dann danach lesen. Bei „The Tower Treasure“ handelt es sich um den Auftaktband der Hardy Boys-Serie, eine bei uns ziemlich unbekannte, in den USA aber sehr populäre Jugenddetektivserie um zwei Brüder, die seit 8(!) Jahrzehnten schon in diversen Filmen und TV Serien auftraten, auch im Moment gibt es eine aktuelle TV-Serie, und die im selben Universum spielt wie die Jugenddetektivin Nancy Drew, über die ich hier schon mehrfach geschrieben hatte.
Der von mir hier genannte Auftaktband ist ebenfalls nicht mehr so ganz taufrisch, sondern bereits von 1927, und ich bin mal gespannt, wie sich ein Jugenddetektivroman aus dieser Zeit so liest.

Gut zu dem Thema passt, ich habe kürzlich auch beendet “Return to Kirrin“ von Suzy & Neil Howlett, ein 2017 erschienener Roman, der die von Enid Blyton™ geschaffenen „Fünf Freunde“ als Erwachsene im Jahr 1979 schildert und dabei die in den ursprünglichen Kinderbänden angelegten Charaktereigenschaften auf die erwachsenen Charaktere extrapoliert. Hierbei verfällt er aber nicht nur in eine plumpe Satire, wie die aktuelle Serie „Fünf Freunde als Erwachsene“ von Bruno Vincent, wobei auch dieser Roman hier durchaus mit Humor durchzogen ist. Julian ist jetzt ein erfolgreicher, unsympathischer Manager, Dick ein nach wie vor unbefrauter, wohlbeleibter Londoner Polizist, George hat sich natürlich zu einer immer noch tierlieben politischen Nervensäge entwickelt und Anne ist selbstverständlich ein Heimchen am Herd und eine übervorsichtige Mutter geworden. Aus diesen nach wie vor recht grob behauenen Figuren formt das Autorenehepaar tatsächlich eine ziemlich amüsante und kurzweilige Geschichte, der es gelingt, dass man in die Charaktere etwas investiert ist. Und es ist einfach lustig, dass die Fünf Freunde, die früher alleine mit zwölf Jahren Wohnwagen gemietet haben, sich mit Gangstern geprügelt und durch dunkle Höhlensysteme gestolpert sind, ihren eigenen Kindern nun jegliche Gefahr umfänglich verbieten. Habe ich gerne gelesen.

Noch mal Jugendkrimis, abgeschlossen habe ich „Die Drei ??? und der Geisterbunker“ von Ben Nevis, also das Detektivabenteuer aus Rocky Beach, welches jetzt als nächstes zur Hörspielvertonung ansteht, für Folge #214. Ein Roman, der mir ziemlich gut gefallen hat, weil er die höchst vertraute Mixtur der „Drei ???“-Geschichten auf recht unterhaltsame Weise anrührt. Gleich danach begonnen habe ich mit „Die Drei ??? und die verlorene Zeit“ von Christoph Dittert; da bin ich aber noch nicht weit; der furiose Auftakt, bei welchem mal wieder die Geheimgänge (merke: Geheimgänge sind immer gut!) auf dem Schrottplatz zur Geltung kommen, vermochte aber schon mal zu gefallen.

Bei meiner erstmals vollständigen Karl May Lektüre der Reihe nach, bin ich inzwischen nach den eher langatmigen Südamerika-Abenteuern am „Rio de la Plata“ und in den „Kordellieren“ bei dem „Old Surehand“-Doppelband angekommen, der mir wieder unfassbar viel Freude macht und den ich teilweise mit glühenden Ohren nur so wegatme. Hier war der Mayster wieder in Hochform und wer wie ich diese Mischung aus Proto-Superheldentum, Power Fantasy und Dialoge, die ständig zwischen hoch amüsant und Edelmut changieren, mag, wird damit ebenfalls eine helle Freude haben. Pshaw!
Kein Lesereintrag von mir ohne Sherlock Holmes, inzwischen habe ich den vorletzten und den aktuellen Roman von Bestsellerautor Nicholas Meyer beendet, „The Adventure of the Peculiar Protocols“ von 2019, und den gerade eben erst erschienenen „Return of the Pharaoh“. Ersterer handelt, wie der Titel nahelegt, von den Protokollen der Weisen von Zion, einer der unheilvollsten Propagandaschriften der letzten 150 Jahre und, da es sich hierbei ja um eine russische Fälschung handelte, spielt auch die zweite Hälfte des Romans in Russland, wohin Holmes & Watson reisen. Ein nur leicht überdurchschnittlicher Roman, der mit einem so vorhersehbaren wie törichten Schluss endet, da es..nein, ich will nicht spoilern.

Gerade erst erschienen ist der neueste Band mit Abenteuern diesmal in Ägypten und wer Meyers Romane kennt, weiß, dass er unter den Sherlockians zur „Ghosts need not apply“-Fraktion gehört, sodass in diesem „..Pharaoh“-Band natürlich keine untoten Mumien (auch wenn der Titel das nahelegen könnte) herumstapfen, sondern eher Archäologen und Grabräuber, der Roman spielt in den frühen 1920ern - und handelt mithin schon von einem älteren Holmes. Auch wenn die Tendenzen bereits in Meyers ersten Romanen vorhanden waren, verstärkt sich hier noch einmal der Eindruck, dass Meyer eigentlich lieber Abenteuerromane als Krimis schreibt. Beide Bücher kann man ganz gut weg lesen, sie bieten bunt-abwechslungsreiche Abenteuerstandard-Actionkost, für Krimifreunde wird hier aber eher weniger geboten. Sidenote: Manchmal zerschießt mir schon eine Szene einen Roman. Am Anfang von „The Return of the Pharaoh“ trifft Dr. Watson rein zufällig auf einen Holmes in Verkleidung in Kairo. Nicht nur, dass Watson Holmes meist in seinen Verkleidungen nicht erkannt hatte, Kairo war ja sicher damals auch schon so ein kleines Kaff wie es heute ist, wo man sich zwangsläufig ständig über den Weg läuft und..ach, ich höre schon auf.

Nebenbei lese ich noch die Anthologie „Sherlock Holmes and the Great Detectives” aus dem Hause Belanger, welche den Meisterdetektiv mit vielen seiner damaligen Mitbewerber und Epigonen zusammenführt, insbesondere natürlich die, die heutzutage gemeinfrei sind wie Pater Brown, der Proto-Batman The Gray Seal, sowie Carnacki The Ghost Finder, ein früherer Kollege von John Sinclair, und Dr. Thorndyke. Und Prof. van Dusen und und und. Die von Profis und auch reinen Amateur-Enthusiasten verfassten Geschichten variieren sehr stark in der Qualität, da ich solche Match-Ups aber sehr mag, habe ich meinen Spaß mit dem Band, auch wenn viele der Geschichten nach der Lektüre schon fast vergessen sind, ehrlich gesagt.

Auch wenn Weihnachten schon vorbei ist, wollte ich noch erwähnen, dass ich mit einem Jahr Verspätung endlich dazu gekommen war, die neueste Novelle von Connie Willis zu lesen, die sich ja schon lange auf Weihnachtsgeschichten mit SF-Einschlag spezialisiert hat. Ihre in der letztjährigen Weihnachtsausgabe der Zeitschrift Asimov‘s erschienene Novelle „Take A Look at the Five and Ten“ beweist einmal mehr, warum sie als eine Meisterin der Science Fiction gilt, die auch noch hervorragende SF mit viel Humor und menschlicher Wärme paaren kann. Tolle Novelle, ich habe bei Frau Willis aber auch nichts anderes erwartet. Wirklich ein Riesen-Vergnügen. Ich teile aber auch ihre Vorliebe des Humors sehr, der viel auf Timing und Wiederholungen setzt.

Zum Abschluss schwenken wir von den reinen Textgeschichten noch etwas in die Bildergeschichten, heute mal mangafrei.
Wir bleiben bei den „Fünf Freunden“. Mit großer Freude lese ich im Moment die Neuadaptionen der kanonischen „Fünf Freunde“-Geschichten von Nataël, gezeichnet von seinem Sohn Béja, die Stück für Stück den gesamten Kanon von Enid Blyton™, alle 21 Romane, als Graphic Novel adaptieren wollen. Stilistisch orientiert man sich hier deutlich bei der ligne claire eines Hergé („Tim und Struppi“) und die Bände machen wegen ihrer wunderbaren Abenteuerlichkeit, der pointierten Zeichnungen und der gekonnten Verdichtung der Geschichten auf jeweils 32 Seiten sehr viel Freude. Ich hoffe, dass es diesem Vater und Sohn-Duo tatsächlich gelingen wird, alle Bände zu adaptieren. Sie sind auf einem guten Weg, seit 2017 sind jetzt sechs Bände erschienen.

Ferner habe ich noch „Miss Crumble – Das gestiefelte Monster“ von Herik Hanna gelesen, den Auftaktband zu einer siebenbändigen Grafik Novel-Serie, in welcher jeweils große Ermittler der Kriminalroman-Geschichte eine Hommage zuteil wird, häufig schon aus Rechtegründen in abgewandelter, so gerade noch erkennbarer Form. Im ersten Band handelt es sich um eine ältere Ermittlerin, sodass man kein Genie zu sein braucht, dass hier wohl eine Miss Marble Pastiche angestrebt war. Um ja auch keinen Ärger mit den Christie-Erben zu bekommen, ist diese ältere Ermittlern hier nicht zart, kultiviert und zerbrechlich wie Frau Marple, sondern ziemlich robust, hoch gewachsen und recht vollbusig; letzteres, ganz werde ich Frauen wohl nie verstehen, verleitete eine weibliche Rezensentin bei Amazon zu der Bemerkung, dass dieses (per se?) ja „niveaulos“ sei, obwohl dieses in dem Band keinesfalls hervorgehoben oder gar groß ausgespielt wird, sondern ersichtlich der Abgrenzung von einer Miss Marple-Figur (im wahrsten Sinne des Wortes) dient. Ob ich bei der Reihe dran bleibe, weiß ich noch nicht. Dieser Auftaktband enthält zwei Dinge, die viele Comicleser mögen, ich aber nicht so: Erhebliche Textlastigkeit und leicht wirr-rotzig schraffierte Zeichnungen mit ‚dreckigen‘ Erd-Farben.

Soweit für heute. Mal sehen, wann genug Material für den nächsten solchen Beitrag da ist.
Liest: "Dämmerung", Michael Kleeberg // "Blue Giant Supreme 1-11", Shinichi Ishizuka
Spielt: Robocop: Rogue City, Alan Wake, Ape Out (mal wieder, großartig!), Cyberpunk 2077: Phantom Liberty
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falko
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Re: Was lest ihr gerade?

Beitrag von falko »

Ey, du brauchst nen Podcast. :D
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