Folge 34: Kein Land für alte Männer

Hier wird über die aktuelle Folge diskutiert. Und über alle anderen natürlich auch.
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falko
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Folge 34: Kein Land für alte Männer

Beitrag von falko »

Cormac McCarthy kaufte 1964 in Knoxville eine gebrauchte Olivetti-Schreibmaschine, auf der er dann über Jahrzehnte seine Romane schrieb. 2009 wurde sie versteigert, und das Auktionshaus rechnete mit maximal 20.000 Dollar Höchstgebot. Es wurden 254.000 Dollar.

Sogar noch deutlich mehr Geld findet Llewelyn Moss, der in der texanischen Wüste auf die Spuren eines schiefgegangenen Drogendeals stößt. Die Leichen ignoriert er, den Geldkoffer nimmt er mit. Doch der emotionslose Auftragskiller Anton Chigurh ist ihm und den Millionen im Koffer schon auf den Fersen.

Womit McCarthy, inzwischen 86 Jahre alt, heute schreibt, wo er seine Olivetti versteigert hat? Einer anderen Olivetti, die ihm ein Freund gekauft hat. Für 11 Dollar.

Viel Spaß mit der neuen Folge!

Folge 33: Kein Land für alte Männer
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Nimlod
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Re: Folge 34: Kein Land für alte Männer

Beitrag von Nimlod »

Schöne Besprechung, interessantes Buch, nicht ganz mein Fall.

Davon abgesehen würde ich empfehlen, den Part mit der Diskussion über "Autor ist tot" vs "Das kann ich nicht ganz ausblenden" in Zukunft ein bisschen kürzer zu haltet. Auch das ist interessant und nehmt euch um Gottes Willen nicht eure Authentizität und Spontaneität aus dem Gespräch. Aber versucht, vielleicht nicht jedes Mal ganz so ausführlich breitzutreten, dass ihr in der Hinsicht unterschiedlich denkt.
Also ich will schon wissen, was bspw. Falko über den Autor denkt, aber ich will nicht schon wieder oder nur sehr kurz hören, dass ihr erkennt, dass ihr da unterschiedlich gestrickt seid. Das hat sich jetzt schon ein paar Mal wiederholt. :-)
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falko
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Re: Folge 34: Kein Land für alte Männer

Beitrag von falko »

Yep, ich muss mir das abgewöhnen und textimmanent bleiben, wie wir Hirnchirurgen das nennen.
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Shenmi
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Re: Folge 34: Kein Land für alte Männer

Beitrag von Shenmi »

Ich finde McCarthys Stil ziemlich genial, habe aber die Sache nach The Road aber nicht weiterverfolgt.
Nach diesem Podcast habe ich mir nun auch vorgenommen diesem Buch eine Chance zu geben, obwohl ich dem Film nicht wirklich etwas abgewinnen konnte. Aber manchmal hilft ja auch eine andere Sichtweise auf einen Stoff, die ich nun hier gehört habe. Denn damals habe ich mich wirklich gefragt was mir der Film sagen wollte, der aus meiner Sicht so vor sich hinplätscherte. Aber in der Buchvorlage wird das vielleicht deutlicher.
Auch Blood Meridian ist vielleicht mal einen Blick wert, weil ich ja immer denke, seit Jack Ketchums Evil kann mich nichts mehr schocken.

Ich bin damals eigentlich nur durch meine Frau über McCarty gestolpert - die meinte, während ihrer traumatischen Phasen fühle sich ihr inneres wie die Grundstimmung dieses Buches an - und die kontroversen Kritiken haben mich auch neugierig gemacht.
An den besonderen Stil und die Textform hatte ich mich schnell gewöhnt und als ich The Road letztens nochmal gelesen habe, hatte es den gleichen Effekt wie beim ersten Mal, was bei mir ziemlich selten passiert.
Mir war schon beim ersten Lesen, quasi ab der ersten Seite, vollkommen klar das dies hier nicht gut ausgehen würde. Der Autor schafft es einfach einem diese Hoffnungslosigkeit zu vermitteln und sagt im Prinzip "Lasst alle Hoffnung fahren, die ihr hier eintretet!".
Er beschreibt dann eine Welt voller Brutalität und schafft es trotz der Eiseskälte, durch seine Figuren eine Wärme zu erzeugen, die fast greifbar ist.
Und weil ich von Anfang wusste das es kein Entrinnen gibt, habe ich mich erstaunlich schnell damit zufrieden gegeben, die Beiden nur ein kleines Stückchen durch die Aschewelt zu begleiten.
Sprachlich natürlich genial und McCarthy braucht auch keine fünfhundert oder tausend Seiten, um seine beeindruckende Geschichte zu erzählen.
Genau diese beiden Dinge haben mir unglaublich imponiert.
Das er keine Anführungszeichen verwendet, ist anfangs etwas irritierend, wirkte sogar etwas schrullig auf mich, aber vermisst habe ich sie auch nie.
Und später hatte ich dann - genau wie Jochen - auch das Gefühl das ich dadurch gezwungen wurde, viel aufmerksamer zu lesen.

Tipp an Jochen:
Auch in der vollbesetzten Bahn lässt sich wunderbar lesen. Man braucht nur ein paar In Ears mit Active Noise Canceling, dann lassen sich die Dauertelefonierer und die anderen Lärmquellen, wunderbar ausblenden. Man muss nur ab und zu mal aufschauen, um seine Station nicht zu verpassen. :)
Ich bin eitel, hochmütig, tyrannisch, blasphemisch, stolz, undankbar, herablassend-bewahre aber das Aussehen einer Rose" - Pita Amor
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fiorell
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Re: Folge 34: Kein Land für alte Männer

Beitrag von fiorell »

falko hat geschrieben: Mi 4. Dez 2019, 10:28 Yep, ich muss mir das abgewöhnen und textimmanent bleiben, wie wir Hirnchirurgen das nennen.
Das sehe ich anders! Ich mag deine Ausführungen zum Verhältnis Werk-Autor sehr, zumal du als Autor da auch spannende Gedanken präsentieren kannst. Aber die breite Ausführung darüber, dass ihr mit unterschiedlichen Ansätzen an einen Text heran geht, ist übertrieben, zumal schon dagewesen. Insofern stimme ich Nimlod da in allen Punkten zu - ich hätte gerne weiterhin beide Perspektiven, aber weniger Diskussion über den reinen Umstand, dass Jochen die "Autor-Perspektive" für irrelevant befindet, während du das nicht tust. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass du, Falko, in der Folge eine fast verteidigende und entschuldigende Haltung einnimmst, was ich schade finde, weil es mir ungerechtfertigt erscheint - tatsächlich hatte ich zwischenzeitlich beinahe das Gefühl, hier findet kein Gespräch auf Augenhöhe statt. Schade!

Zum Buch, ganz knapp: Ich fand es super anstrengend zu lesen, sogar auf Deutsch. Gleichzeitig hat es mich für meine Aufmerksamkeit belohnt, ich fand es ganz toll. Habe ich seit dem Lesen schon mehrfach weiter empfohlen.
Bin schwarz, aus Holz und stets verschlossen
Seitdem mit Stein sie mich beschossen
In mir ruh'n tausend trübe Linsen
Seitdem mein Haupt ging in die Binsen
Dagegen helfen keine Pillen:
Ich bin ein Schrank voll ungeputzter Brillen
-Walter Moers
Ironic Maiden
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Re: Folge 34: Kein Land für alte Männer

Beitrag von Ironic Maiden »

Ich habe nichts von McCarthy gelesen und habe das auch nicht vor, da "The Road" einer der wenigen Filme war, die ich nicht zu Ende schauen konnte. Ich mag Nihilismus in Büchern und Filmen nicht, ich kann damit nicht besonders gut umgehen und empfinde solche Haltungen persönlich immer als etwas billig. (Angesichts der Beschissenheit der Welt sowas wie Hoffnung zu behalten, und sei es wider besseres Wissen, ist eine Einstellung, die ich persönlich bewundernswerter finde, auch wenn das oft naiv statt intellektuell wirkt.)

Aber ich wollte hier dennoch kurz auf ein Video aufmerksam machen, dass einige Punkte, die im Podcast zum Thema Western und Noir gesagt wurden, anhand des Filmes noch weiter vertieft. Es ist leider auf Englisch (und enthält Werbung für unsympathische Finanzunternehmen), aber meiner Meinung nach durchaus interessant und sehenswert: https://www.youtube.com/watch?v=cQEAZlNQbxY
Jochen
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Re: Folge 34: Kein Land für alte Männer

Beitrag von Jochen »

Ironic Maiden hat geschrieben: Fr 13. Dez 2019, 19:14Ich habe nichts von McCarthy gelesen und habe das auch nicht vor, da "The Road" einer der wenigen Filme war, die ich nicht zu Ende schauen konnte. Ich mag Nihilismus in Büchern und Filmen nicht, ich kann damit nicht besonders gut umgehen und empfinde solche Haltungen persönlich immer als etwas billig. (Angesichts der Beschissenheit der Welt sowas wie Hoffnung zu behalten, und sei es wider besseres Wissen, ist eine Einstellung, die ich persönlich bewundernswerter finde, auch wenn das oft naiv statt intellektuell wirkt.)
Jetzt könnte ich freilich einwenden, dass irrationale Hoffnungen wider besseren Wissens die Aufgabe von Religion sind und nicht von Literatur, aber dann wird's wahrscheinlich philosophisch und ungemütlich. Ich jedenfalls bin immer wieder sehr froh, dass im gewaltigen Ozean von "ja, die Welt ist scheiße, aber hier ist ein Funken Hoffnung"-Lektüre immer noch die kleinen Inseln der McCarthys oder Jack Ketchums gibt, die darauf hinweisen, dass der Kaiser nackt ist :mrgreen:
Ironic Maiden
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Re: Folge 34: Kein Land für alte Männer

Beitrag von Ironic Maiden »

Jochen hat geschrieben: Sa 14. Dez 2019, 12:29
Jetzt könnte ich freilich einwenden, dass irrationale Hoffnungen wider besseren Wissens die Aufgabe von Religion sind und nicht von Literatur, aber dann wird's wahrscheinlich philosophisch und ungemütlich.
Religion wäre es dann, wenn sich Menschen eine Art vorgefertigte Hoffnungskonstruktion aussuchen und dieser dann einfach folgen. Wobei ich die Darstellung dieses Prozesses in der Literatur wiederum sehr spannend finde. Deswegen mag ich Bücher wie z.B. "Drop City" von T.C. Boyle, die beleuchten, wie sich Gruppen eigene Ideologien zusammenschustern, und dass das dann für einige Figuren sogar funktioniert, sehr gerne.
Ich mag es aber noch mehr, wenn Figuren sich persönlich dafür entscheiden, gegen das Nichts anzuleben, selbst wenn sie im Hinterkopf ahnen, dass das kosmisch gesehen irrelevant ist. Das hat jetzt nicht so viel mit reiner "feel good"-Literatur zu tun, obwohl mir sowas schon Hoffnung gibt. (Ich betrachte mich aber auch als Optimistin aus Notwehr,)
Jochen hat geschrieben: Sa 14. Dez 2019, 12:29 Ich jedenfalls bin immer wieder sehr froh, dass im gewaltigen Ozean von "ja, die Welt ist scheiße, aber hier ist ein Funken Hoffnung"-Lektüre immer noch die kleinen Inseln der McCarthys oder Jack Ketchums gibt, die darauf hinweisen, dass der Kaiser nackt ist :mrgreen:
Die kann und soll es ja auch geben, aber ich finde es für mich persönlich interessanter zu lesen, wie es jemand schafft den Kaiser davon zu überzeugen, dass er Kleider trägt, als jemandem zuzuhören, der das offensichtliche sagt. ;)
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falko
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Re: Folge 34: Kein Land für alte Männer

Beitrag von falko »

Jochen hat geschrieben: Sa 14. Dez 2019, 12:29Jetzt könnte ich freilich einwenden, dass irrationale Hoffnungen wider besseren Wissens die Aufgabe von Religion sind und nicht von Literatur, aber dann wird's wahrscheinlich philosophisch und ungemütlich. Ich jedenfalls bin immer wieder sehr froh, dass im gewaltigen Ozean von "ja, die Welt ist scheiße, aber hier ist ein Funken Hoffnung"-Lektüre immer noch die kleinen Inseln der McCarthys oder Jack Ketchums gibt, die darauf hinweisen, dass der Kaiser nackt ist :mrgreen:
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Shenmi
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Re: Folge 34: Kein Land für alte Männer

Beitrag von Shenmi »

Jochen hat geschrieben: Sa 14. Dez 2019, 12:29 [Lektüre immer noch die kleinen Inseln der McCarthys oder Jack Ketchums gibt, die darauf hinweisen, dass der Kaiser nackt ist :mrgreen:
Das geht mir auch so, obwohl ich bei Ketchum zwiegespalten bin. "Evil" ist das Buch was mich am meisten beeindruckt hat, denn vorher oder danach habe ich nie wieder ein Buch gehabt, wo ich immer wieder darüber nachgedacht habe, es abzubrechen. Zum Schluss konnte ich es nur seitenweise lesen, unter Tränen und mit Pausen.
Letztens wollte ich es zum zweiten Mal lesen, bin aber nicht über die ersten zehn Seiten hinausgekommen. Denn ich kann - im Wissen was kommt - einfach diese "Stand by me"- Idylle schon nicht ertragen.
Danach habe ich noch ein paar Bücher von Ketchum gelesen, die mich aber durch die Band weg enttäuscht haben. Viele waren nur eine Ansammlung von stumpfen Grausamkeiten, die dann irgendwann eher langweilen als mich zu schocken.
Aber vielleicht habe ich ja bisher nur die falschen Bücher von ihm gelesen und Du hast noch einen Tipp?

Das nehme ich auch gleich nochmal zum Anlass zu betonen, dass Evil sowieso einen eigenen Podcast wert wäre. Oder Kings Dark Tower.
Sorry für die Redundanz, aber steter Tropfen... :)
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