Folge 106: Bücher, die wir NIE lesen werden, und anderes

Hier wird über die aktuelle Folge diskutiert. Und über alle anderen natürlich auch.
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falko
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Folge 106: Bücher, die wir NIE lesen werden, und anderes

Beitrag von falko »

Jemand fragte uns, welche Bücher eine Besprechung im Podcast verdient hätte, aber die wir trotzdem niemals vorstellen würden. Also beantworten wir die Frage. Konsquent und zuverlässig wie immer. Und natürlich sind wir allein durch die Beschäftigung im Rahmen dieser Frage mit den jeweiligen Büchern überhaupt nicht erst neugierig auf sie geworden, NEIN!

Außerdem reden wir über Falkos neuen Reader (wie schnell doch so ein halbes Jahr vergeht!) und reden über die Sinnhaftigkeit von Lesereisen und Lesungen allgemein.

Hinweise zum virtuellen Treffen: Termin ist Mittwoch, 14.12.22 ab ca 20 Uhr für alle. Dann wird in unserem Forum, im Discord, auf Twitter und auf Instagram der Zoom-Link gepostet. Unterstützer*innen erhalten den Link per Mail schon etwas früher, wenn es ca 18 Uhr losgeht.

Viel Spaß mit der neuen Folge!

Folge 106: Bücher, die wir NIE lesen werden, und anderes
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Oliver Naujoks
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Re: Folge 106: Bücher, die wir NIE lesen werden, und anderes

Beitrag von Oliver Naujoks »

Witzig, in "Uhrwerk Orange" kam ich trotz mehrfacher Versuche (auf Deutsch und auf Englisch) auch nie rein. Ich habe den Roman (auch?) aufgegeben. Aber, den Kubrick-Film möchte ich Euch dringend mal ans Herz legen. Das ist auf formaler Ebene ein solcher Orgasmus, eine so brillante filmische Galavorstellung, da steht einem eigentlich fast durchgehend der Mund offen. Ja, der Film ist sehr sperrig und teilweise in den Gewaltszenen und der zentralen Vergewaltigung sehr unangenehm (gut, dass er unangenehm da ist!). Aber: Versucht es ruhig trotzdem mal, es lohnt sich. Sehr. Mehr als sehr. Es hilft wegen des Neologismen-Overkills etwas, den erstmal auf Deutsch zu sehen, selbst wenn man ein OV-Fanatiker (wie ich) ist. Denn die deutsche Fassung hat Kubrick höchstpersönlich überwacht, die ist hervorragend geworden.

Haneke? Ja, Funny Games ist sehr unangenehm (schon wieder das Wort) und das US-Remake war eine selten dumme Idee, als ob man dann mit dem Thema in den Staaten mehr Erfolg hätte. Manchmal hat der Haneke komische Ideen. Aber, ganz wichtig: Wenn Ihr nur einen einzigen Haneke-Film in Eurem Leben noch gucken möchtet, empfehle ich "Caché". Bei dem Ende habe ich richtig nach Luft geschnappt, sowas habt Ihr SO noch nicht gesehen und werdet Euch die Augen reiben.

Ich würde mich freuen, wenn Ihr mal die genannten Theaterstücke besprecht. Sowohl die alte Dame, als auch den Gallileo. Bei letzterem kann man Brecht auch so schön unterlaufen und sich in Gedanken das alles historisch vorstellen und nicht im Sinne des epischen Theaters (leere Bühne und so), wie Brecht sich das gedacht hat.
Liest: "Tochter der Wüste", Thomas Le Blanc (Hrsg) // Blue Giant Explorer 7, Shinichi Ishizuka
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tanair
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Re: Folge 106: Bücher, die wir NIE lesen werden, und anderes

Beitrag von tanair »

Wie kann man euch auf Mastodon finden? Wird es auch einen Buchpodcast Mastodon Account geben?
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falko
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Re: Folge 106: Bücher, die wir NIE lesen werden, und anderes

Beitrag von falko »

tanair hat geschrieben: Mi 7. Dez 2022, 21:07 Wie kann man euch auf Mastodon finden? Wird es auch einen Buchpodcast Mastodon Account geben?
Ich habe mir einen privaten und einen englischen Gamedev-Account angelegt. Jochen hat keinen, soweit ich weiß. Für den Buchpodcast werde ich erst mal nix machen - mit Forum hier, Discord, Twitter und jetzt wieder Instagram reicht's mir eigentlich. :D
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tanair
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Re: Folge 106: Bücher, die wir NIE lesen werden, und anderes

Beitrag von tanair »

falko hat geschrieben: Do 8. Dez 2022, 06:34
tanair hat geschrieben: Mi 7. Dez 2022, 21:07 Wie kann man euch auf Mastodon finden? Wird es auch einen Buchpodcast Mastodon Account geben?
Ich habe mir einen privaten und einen englischen Gamedev-Account angelegt. Jochen hat keinen, soweit ich weiß. Für den Buchpodcast werde ich erst mal nix machen - mit Forum hier, Discord, Twitter und jetzt wieder Instagram reicht's mir eigentlich. :D
Danke! Ach Mastodon ist echt kompliziert ich kann nicht einfach auf Add klicken, da wir auf unterschiedlichen Servern sind, sondern muss deinen Nutzernamen kopieren und mich auf meinen Server anmelden und nach dem Nutzernamen suchen :D
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Heretic
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Re: Folge 106: Bücher, die wir NIE lesen werden, und anderes

Beitrag von Heretic »

Oliver Naujoks hat geschrieben: Mi 7. Dez 2022, 07:59 Haneke? Ja, Funny Games ist sehr unangenehm (schon wieder das Wort) und das US-Remake war eine selten dumme Idee, als ob man dann mit dem Thema in den Staaten mehr Erfolg hätte. Manchmal hat der Haneke komische Ideen.
Ich fand die Idee gar nicht so dumm, da in Amiland Filme selten bis nie synchronisiert, sondern stattdessen neu gedreht werden. Die meisten ausländischen Filme im O-Ton werden in den USA vom breiten Publikum ja meist ignoriert. Da hat Haneke es wohl lieber selbst in die Hand genommen, bevor ein anderer Regisseur sein "Funny Games" verhackstückt und womöglich gar einen Horrorfilm draus gemacht hätte.
Oliver Naujoks hat geschrieben: Mi 7. Dez 2022, 07:59 Aber, ganz wichtig: Wenn Ihr nur einen einzigen Haneke-Film in Eurem Leben noch gucken möchtet, empfehle ich "Caché". Bei dem Ende habe ich richtig nach Luft geschnappt, sowas habt Ihr SO noch nicht gesehen und werdet Euch die Augen reiben.
Das unterschreibe ich. Das Ende von "Caché" lässt das Kopfkino ordentlich rattern. Bin bis heute noch nicht ganz schlau draus geworden. :D

Sehr empfehlenswert finde ich übrigens auch "Das weiße Band" (etwas zugänglicher, aber trotzdem hundsgemein), "Liebe" und "Die Klavierspielerin". Haneke ist einfach ein Meister der schweren Kost.
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Oliver Naujoks
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Re: Folge 106: Bücher, die wir NIE lesen werden, und anderes

Beitrag von Oliver Naujoks »

Heretic hat geschrieben: Fr 9. Dez 2022, 13:47 Ich fand die Idee gar nicht so dumm, da in Amiland Filme selten bis nie synchronisiert, sondern stattdessen neu gedreht werden. Die meisten ausländischen Filme im O-Ton werden in den USA vom breiten Publikum ja meist ignoriert.
Ich glaube, genau das war Hanekes Denkfehler. "Funny Games" ist so sperrig und nieschig, dafür findest Du auch in den USA (nur) ein Spezialpublikum und das hat auch mit Untertiteln keine Probleme - und hatte dann im Zweifel das Original schon gesehen.. Insofern, denke ich war es völlig vergebliche Liebesmüh, den Szene für Szene nochmal in Englisch zu drehen, das erweitert Dein Publikum nicht groß. Das ist ja wirklich ein Remake, wie es im Buche steht, der ist ja quasi identisch wie das Original. Wer mit ausländischen Filmen mit UTs Probleme hat, der guckt sowas wie Funny Games eh nicht, egal ob Untertitel oder nicht.
Sehr empfehlenswert finde ich übrigens auch "Das weiße Band" (etwas zugänglicher, aber trotzdem hundsgemein), "Liebe" und "Die Klavierspielerin". Haneke ist einfach ein Meister der schweren Kost.
Zustimmung, die sind alle super. Und sehr verschieden. Die habe ich alle noch ganz gut verkraftet, nur bei seinem Frühwerk "Der siebente Kontinent" kam auch ich an meine Grenzen. Der ist eine bemerkenswerte Erfahrung, den muss ich aber in diesem und den nächsten drei Leben nicht nochmal sehen. Erst dann vielleicht mal wieder.
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Heretic
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Re: Folge 106: Bücher, die wir NIE lesen werden, und anderes

Beitrag von Heretic »

Oliver Naujoks hat geschrieben: Fr 9. Dez 2022, 13:57 Ich glaube, genau das war Hanekes Denkfehler. "Funny Games" ist so sperrig und nieschig, dafür findest Du auch in den USA (nur) ein Spezialpublikum und das hat auch mit Untertiteln keine Probleme - und hatte dann im Zweifel das Original schon gesehen.. Insofern, denke ich war es völlig vergebliche Liebesmüh, den Szene für Szene nochmal in Englisch zu drehen, das erweitert Dein Publikum nicht groß. Das ist ja wirklich ein Remake, wie es im Buche steht, der ist ja quasi identisch wie das Original. Wer mit ausländischen Filmen mit UTs Probleme hat, der guckt sowas wie Funny Games eh nicht, egal ob Untertitel oder nicht.
Ich glaube, Haneke wollte auch dem US-Publikum nochmal den Spiegel vorhalten. Was ja in gewisser Weise auch funktioniert hat, wenn ich sowas hier sehe: https://www.nytimes.com/2008/03/14/movies/14funn.html
(Ich kann leider nur die Überschrift lesen, aber die reicht eigentlich schon :mrgreen: )

Ich glaube nicht, dass er das ganz große Publikum im Sinn hatte. Ein paar mehr Leute als mit dem Original dürfte er aber kalt erwischt haben.

Für Kenner des Originals ist das Remake natürlich überflüssig, da der Film ja größtenteils vom Überraschungsmoment lebt. Ich hatte bei der Erstsichtung damals überhaupt keine Ahnung, was mich erwarten würde. Auch der Regisseur Haneke war mir damals komplett unbekannt. Ich bin also von einem "konventionellen" Drama/Thriller ausgegangen.
Thomas Suender
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Re: Folge 106: Bücher, die wir NIE lesen werden, und anderes

Beitrag von Thomas Suender »

Zu dieser Folge kann ich hoffentlich mal etwas Substanzielles beisteuern :D

Bücher, die nie besprochen werden: Ich hatte ja die Ehre, in Bonusfolge 43 ein Buch zu empfehlen. Als Falko mich darum bat, kamen mehrere in meinen Kopf und zwei davon in die engere Auswahl. Meyerhoff habe ich letztlich empfohlen, aber ich will das zweite Buch nicht unterschlagen:

James Ellroy - White Jazz

Beide Bücher (Ellroy und Meyerhoff) habe ich vor der Folge nochmals gelesen und mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Ellroy wurde es dann nicht, obwohl ich sicher bin, dass Jochen es LIEBEN wird.

Warum wird Jochen es lieben?

In diesem Buch gibt es kein einziges überflüssiges Wort, also auch kein ADJEKTIV, das nicht sein muss. Es ist die maximal mögliche literarische Verdichtung. Ellroy beschreibt nichts, Personen werden fast gar nicht äußerlich beschrieben. Trotzdem hat man (oder ich) immer ein klares Bild vor Augen. Warum? Weil wir die Filme aus den 50er Jahren kennen, in denen die Geschichte spielt. Man denkt an bestimmte Schauspieler. Der Sprachrhythmus ist brutal, irgendwo zwischen Rap und Jazz.

Man denkt an die Klassiker des Hard Boiled Genres. Bloß: Alles ist härter. SEHR VIEL härter. Im Vergleich zu White Jazz wirken die "Hard Boilded"-Romane von Raymond Chandler (Philippp Marlowe) und Dashiell Hammet (Sam Spade, z.B. Der Malteser Falke, verfilmt mit Bogart) geradezu naiv. Das was Ellroy macht, ist wirklich Hard Boiled. Inklusive der Erzähl-Perspektive.

Der Ich-Erzähler ist nicht nur Cop, sondern auch ein bezahlter Auftragskiller des organisierten Verbrechens, und als wäre das nicht schon schlimm genug, ein Slum-Lord, der sexuelles Interesse an seiner eigenen Schwester hat. Es kam fast zum Inzest, wie wir als Leser sehr früh erfahren.

Doch was Ellroy gelingt ist, dass man zwar nicht wirklich Sympathien mit dem Ich-Erzähler Dave Klein hegt, aber voll und ganz mit ihm mitfiebert. Er wird von allen Seiten unter Druck gesetzt: Dem Mobsters, den Cops, dem FBI und zu allem Überfluss noch vom exzentrischen Multi-Millionär Howard Hughes. Ellroy verwebt gekonnt reale Historie und Figuren mit düsterer Crime-Novel. Man will als Leser/in, dass Dave Klein mit heiler Haut herauskommt! Man versteht seine Motive. Auch wenn man sie selbst nicht teilt.

Was am Ende herauskommt, ist der "schnellste" Roman, den ich je gelesen habe. Das Erzähltempo ist jenseits von Gut und Böse. Auf 100 Seiten dieses Romans passiert so viel, wie auf 500 Seiten eines Stephen King-Romans. Jochen würde für das lesen des Ellroy wahrscheinlich als einen regnerischen Nachmittag brauchen. Und am Ende steht man da und denkt: Wow, was für ein Ritt!

Aber kann ich dieses Buch uneingeschränkt empfehlen? NEIN. Dafür ist es zu hart und abgebrüht. Ich wollte etwas mit mehr Humor und Menschenliebe empfehlen in diesen düsteren Zeiten. Aber ganz ehrlich: Wenn ihr auf Hard Boiled und Film Noir steht, ist White Jazz ein Must Read!

Zum Thema Lesungen: ich bekomme als Sachbuch-Autor in der Regel um die 350 Euro. Ich habe aber schon für einen Hörgeräte-Hersteller einen Vortrag von 30 Minuten für über 1.000 Euro gehalten. Also wie Falko sagt: Das ist total individuell, je nach Auftraggeber. Es lohnt sich meistens nicht direkt finanziell, aber sehr wohl als Gesamterlebnis. Es ist etwas ganz Anderes, mit Leser/innen zu sprechen, als nur irgend einen Kommentar auf einem Social Media oder eine Rezension bei Amazon zu bekommen (die ich sowieso nicht mehr lese und bei Social Media bin ich auch nicht mehr).

Die Autorin von der Falko sprach: Chelsea Banning ist nach ihrem Komemntar über ihre missglückte Lesung und den Reaktionen von Stephen King und anderen Besteseller-Autor/innen auf Platz 1 der Bestseller-Liste gewandert. Das ist insgesamt spannender Diskurs, wie eine - wohl gemerkt - MISSGLÜCKTE Lesung Social Media beeinflusst hat und damit den tatsächliche Erfolg der Autorin, also auf das ECHTE Leben zurück gewirkt hat. Irgendwie bizarr: Echtes Leben beeinflusst digitales Leben und digitales Leben wirkt dann so auf das echte Leben zurück, dass alles durch die Decke geht. Was sagt das über unsere Zeit aus?

Viele Grüße und eine frohe Weihnachtszeit,

Thomas
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Sebastian Solidwork
Beiträge: 30
Registriert: Mi 12. Aug 2020, 07:12

Re: Folge 106: Bücher, die wir NIE lesen werden, und anderes

Beitrag von Sebastian Solidwork »

Ein Buch der Kategorie Gern gelesen, Ungern lesen ist für mich Der letzte Tag der Schöpfung von Wolfgang Jeschke.
Habe ich schon einmal hier ausführlicher beschrieben:
viewtopic.php?p=4552#p4552
Ich will es nach 5+-Jahren jetzt doch wieder probieren.
„Schönheit ist auch immer ethisches Empfinden.“

Umweltschutz beginnt im Geldsystem.
Fix the system!

Der Sinn des Lebens ist, dass Menschen voller Sinn das niemals wissen müssen. - Gunter Dueck in Omnisophie
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