Es ist mal wieder Zeit, ich habe mal wieder Lust, zu berichten, was sich im Moment so alles auf meinem Lesestapel befindet. Noch einmal vorab geschickt: Hier hat mich der Kindle und Audible verdorben, so dass dies immer diverse Bücher sind; wären das alles physische Ausgaben, würde mein Nachttisch wohl zusammenbrechen.
Mit großem Vergnügen und Faszination lese ich im Moment das Sachbuch „Metropolis: A History of the City, Humankinds Greatest Invention“ von Ben Wilson.
Ein dicker Band, der die Geschichte der großen Stadt von den Anfängen in Uruk bis in heutige Megacities wie Shenzhen, Zeven und Tokyo erzählt. Der sehr gekonnt und strukturiert schreibende Autor hat eine unzählige Menge an hochinteressanten Fakten zusammengetragen, so dass ich ständig innehalte und Sachen erstmal nach- und gegenlese oder entsprechende Clips auf Youtube schaue. Vieles davon wusste ich schlicht nicht. So ein Buch rennt bei mir offene Türen ein, weil ich das Thema Megacities grundsätzlich hochspannend finde, auch wenn ich nicht in einer solchen leben möchte und äh räusper auch nicht gerade tue.
Gerade heute Morgen las ich zum Beispiel, dass Paris in einem unfassbaren Kraftakt in den Jahren von 1850 - 1870 komplett umgestaltet wurde und die gesamte Innenstadt eine einzige Baustelle war, etwas, was ich so nicht gewusst habe. Und von solchen Geschichten ist der Band voll. Ich lese die englische Originalausgabe, der Band ist letztes Jahr aber auch bei S. Fischer auf Deutsch erschienen, dort heißt er: „Metropolen - die Weltgeschichte der Menschheit in den Städten“.
Etwas leichtere Lektüre sind die aktuellen Bände der drei ???, hier ist gerade die Frühjahrsauslieferung erschienen und ich lese jetzt den Band „Die Spur der Toten“ von Andre Minninger. Die Geschichten der ??? gibt es in gut, häufig mittelmäßig und auch mal schlecht, dieser Band hier hat mich sofort unglaublich reingezogen und ich bin gespannt, wie es weitergeht. Leider darf ich nicht so richtig schreiben warum, weil das eine kleine Überraschung ist für Fans. Das könnte ein toller Band werden! Davor hatte ich den aktuellen Band „Die Geistermühle“ aus der Reihe „Die drei ??? Kids“ mal gelesen, und einmal wieder festgestellt, dass sich diese Reihe, die ich früher mit meinem Sohn viel mithören musste und auch durfte, durchaus auch immer noch sympathisch finde, aber gerade in Buchform ist das von einer kindgerechten Schlichtheit, die für erwachsene Augen etwas anstrengend zu lesen ist. Hier vor allem die in jedem Band gleich auftauchenden Elemente und Nebenfiguren, was zum Wiedererkennungswert für Kinder deutlich extremer gehandhabt wird als in der ursprüngliche Haupt-Serie mit den jugendlichen Detektiven aus Rocky Beach.
Ferner lese ich mich gerade durch die Philo Vance-Krimis aus den 1930ern (bin bei Band 3 von 12), als, das kann ich ja ruhig verraten, Vorbereitung auf die nächste eigene Geschichte, die ich plane. Dort möchte ich Philo Vance mal auftreten lassen. Diese Figur fasziniert mich, weil sie so krass anders, also wirklich heftig anders ist als alle heutigen Krimi-Helden - und als heutige Hauptfigur einer Krimiserie vollkommen, also wirklich unfassbar vollkommen unvorstellbar wäre. Heutige Ermittler sind ja immer: Dem Alkohol zuneigende, skandinavische Polizisten mit Eheproblemen und Depressionen, weil heutige Krimiautoren einfach nicht merken, dass auch diese gebrochenen Ermittler seit einem halben Jahrhundert längst zum Klischee erstarrt sind und kaum einer sich was Neues traut (ja ich übertreibe – aber nur leicht). Philo Vance ist, oder besser war ein höchst arroganter, snobistischer, eitler Pfau und Modefatzke aus der Nouveau Riche der New Yorker Oberschicht der 30er Jahre, wohnhaft in einem riesigen Penthouse, stinkreich, der ständig mit griechischen Klassikern und Artefakten aus Kunst-Ausstellungen verbal um sich wirft, Fußnoten des Autors inklusive. Die Krimis sind recht geschickt geschriebene Whodunits aus der goldenen Ära der Detective Fiction. Die Konstruktionen sind clever und machen Spaß, die Detailversessenheit sorgt allerdings für einige Längen. Im Moment lese ich „The Green Murder Case“ von 1928, der auch ein Jahr später verfilmt wurde. Die Verfilmung sehe ich mir natürlich danach dann noch an.
Da ich jetzt das Alter habe und es zu meinen diesjährigen Neujahrsvorsätzen gehörte, mich einmal mehr mit klassischer Musik und Jazz zu beschäftigen, hab ich mir einen Apparat zusammen gestellt (liebe Kinder, das ist eine Buchregalreihe, kein Mobiltelefon) und zum Beginn einfach mal zwei Bände gekauft und zu lesen angefangen, die man bei Besuch wohl lieber nicht auf dem Kaffeetisch liegen lassen würde, weil cringe-Gefahr: „Klassik für Dummys“ und „Jazz für Dummys“. Halt einfach mal richtig von vorne beide Musikrichtungen anfangen, über die ich leider kriminell viel zu wenig weiß, obwohl ich beide mag. Ich möchte beim Hören aber nicht nur beurteilen können: Schön oder nicht schön. Das reicht mir nicht. Insbesondere der Klassikband ist sehr witzig geschrieben und jetzt bin ich gespannt, wo mich die Reise hinführt, ob diese Bände wirklich meine Liebe neben meinen anderen bevorzugten Musik-Richtungen entfachen werden, was ich mir durchaus vorstellen könnte, oder halt nicht. Ein Problem wird sein, das kann ich jetzt schon absehen: Ich mache ja gerne alles hundertprozentig und steige gerne voll ein, ich sehe mich aber aufgrund der Anzahl der mir noch verbleibenden Lebensjahre und meiner endlichen Kraftreserven wohl nicht in der Lage, mich jetzt auch noch in Dinge wie Harmonielehre und Musiktheorie richtig reinzuknien, was man für vollstes Verständnis eigentlich für beide Musikrichtungen braucht. Da muss ich dann halt mit Abstrichen leben, aber auch so kann die Beschäftigung sicherlich schön sein. Falls hier irgendwelche Musiker diese Zeilen lesen und mir jetzt entgegen schmettern wollen, dass Harmonielehre doch eigentlich ganz einfach ist, kann ich nur sagen: Rand halten, ich weiß, dass ihr lügt.
Natürlich vergeht nach wie vor keinen Tag, an welchem ich nicht zumindest ein paar Seiten in einem Karl May-Band und einem Sherlock Holmes-Band lese, bei Karl May bin ich bei meiner systematischen (teilweise natürlich Neu-)Lektüre aller Original-Bände inzwischen beim „Mahdi“ angekommen und werde mich da etwas ranhalten, weil Holysoft die gerade als Hörspiel vertont hat und ich gespannt bin auf den Vergleich. Bei Sherlock Holmes stecke ich aktuell noch in dem in den Fünfzigern erschienenen Band „The Exploits of Sherlock Holmes“ von Adrian Conan Doyle (das ist der Sohn von Arthur) und John Dixon Carr fest. Damit tue ich mich etwas schwer, denn die Geschichten sind eigentlich schon gekonnt geschrieben, kommen aber doch etwas trocken und von der Stange daher.
Im Hörbuch habe ich gerade vielleicht nicht das beste, aber sicherlich das mit Abstand beeindruckendste Buch meines Lebens beendet: „The Ball is Round“ von David Goldblatt. Ein Band, der die unfassbare Ambition verfolgt, die gesamte Geschichte des Fußballs von seinen Anfängen bis heute weltweit zu erzählen, angesichts der Stofffülle ein Unterfangen, bei welchem man vor Angst nur erschauern kann, der Autor hat das aber durchgezogen und so entstand ein 1.000 Seiten Koloss, der in dem von mir gehörten Hörbuch gut 40 Stunden in Anspruch nahm. Dafür habe ich sehr lange gebraucht, auch weil man wegen der Detailfülle (ein Rezensent auf Amazon staunte über sich selbst, dass er was über die zweite peruanische Liga in den 1920ern erfuhr..) mal längere Pausen braucht, ich war aber selten in meinem ganzen Leben so fasziniert von einem Band und habe wirklich eine Menge gelernt. Wer eine Schwäche für Fußball hat und wessen Horizont etwas über den eigenen Verein in der Nähe hinausgeht, der wird hier ebenfalls, wie ich, ein schieres, pures Fest erleben. Goldblatts Band endet Mitte der Nuller Jahre, er hat aber eine Fortsetzung geschrieben Namens „The Age of Football“, die bis zur WM in Russland 2018 geht und die ich jetzt im Anschluss sofort gestartet habe. Diesen Band liest der Autor sogar selbst bei Audible, leider etwas weniger lebhaft als der Sprecher des Vorgängers, Liam Gerrard.
Meine Hörbuchzeit am frühen Morgen teilen sich immer zwei Bände und wenn der eine ein Sachbuch ist, muss der andere ein Roman sein. Ich habe über 20 Jahre gebraucht, bis ich es endlich mal angegangen habe, jetzt höre ich aber „To Say Nothing of the Dog“ von Connie Willis, ein 1998 erschienener, humoristischer Zeitreiseroman der in meinen Augen vielleicht besten SF Autorin aller Zeiten. Wobei ich das „Autorin“ eigentlich geschlechtsneutral formulieren müsste, denn ich kenne auch keinen einzigen Mann, der besser SF schreibt als Connie Willis. Dieser Band handelt unter anderem von einer Zeitreise in die viktorianische Zeit und nimmt direkt Bezug auf die viktorianische Gemütlichkeit aus dem humoristischen Gemütlichkeits-Buchklassiker „Three Men in a Boat (To say nothing of the Dog)“ von Jerome K. Jerome aus dem Jahr 1889. Das ist gleichzeitig toll, macht die Lektüre, beziehungsweise das Hören, aber auch etwas anstrengend. Der Roman ist schon furchtbar leichtgewichtig und schreitet mit sehr gemächlichem Tempo voran, man kann aber nicht aufhören, dafür ist Willis einfach eine zu begnadete Erzählerin und vor allem auch, das trägt dann über alles hinweg, eine zu charmante und talentierte Humoristin. Ich sag mal so: Wer eine Schwäche für Victoriana-Krams hat, muss diesen Roman auch einmal in seinem Leben gelesen haben. Gerne im Konzert mit dem genannten Jerome-Klassiker, den ich qualitativ exakt gleich wie den Willis-Roman beschreiben würde. Den hatte ich direkt vorher nochmal gehört.
Lesen ist bei mir auch immer etwas stimmungsabhängig, deswegen ruht im Moment die Lektüre von Comics und Mangas ein wenig, das kommt aber sicher wieder.
Abschließend: Wenn ich einfach mal etwas schmökern will, lese ich mich gerade durch den kürzlich erschienenen ebook Band „Lenhardts Spielejahr 1985“, in welchem der J.R.R. Tolkien des deutschen Spielejournalismus, Heinrich Lenhardt, wie der Titel schon verrät, das Spielejahr 1985 Revue passieren lässt und nicht einfach nur seine Texte von damals überarbeitet abdruckt, sondern die jeweiligen Klassiker auch nochmal angespielt und dafür neue Texte verfasst hat. Für entsprechende Nostalgiker wie mich, vermutlich aber nur für die - fürchte ich - eine grandiose Lektüre. Was nur große Sorge macht: der Vorgängerband über das Jahr 1984 erschien vor Unzeiten, wenn Lehnhardt so weitermacht, macht er George RR Martin Konkurrenz in seiner Schreibkadenz, so dass ich den Tolkien-Vergleich vielleicht lieber zurückziehen sollte und mich jetzt auf Lenhardts Spielejahr 1986 freue, das dann wahrscheinlich irgendwann 2030 erscheint. Ob er, oder ich, „Lenhardts Spielejahr 1998“ noch erlebt, bleibt fraglich. Sehr fraglich.
Lektüremäßig sollte mir also nicht langweilig werden. Ich hatte mich in den letzten Monaten viel mit Krimis beschäftigt und muss jetzt mal wieder abbiegen, weil ich etwas anderes lesen möchte, im Moment sieht es so aus, als würde ich vermutlich im Gothic Horror des 19. Jahrhunderts landen. Sorry für hier mitlesende Schriftsteller, ich weiß auch nicht, warum ich immer so gerne Autoren lese, die schon längst tot sind. Unmittelbar geplant habe ich aber erstmal etwas ganz anderes, nämlich eine erneute Lektüre der Novelisierung des Films, der mich zu einem Science Fiction Fan gemacht hatte: Disneys „Das schwarze Loch“ von 1979, von Alan Dean Foster. Dieses Taschenbuch hatte der liebe Dirk van den Boom mir vor einiger Zeit mal gebraucht geschenkt, ich möchte das aber nicht zerfleddern und bin deshalb dankbar, dass der Apex Verlag den Roman als ebook neu herausgegeben hat. Sehr schön. Ja, ich rede in beiden Fällen von der deutschen Ausgabe, in den USA gibt es keine Neuveröffentlichungen des Romans. Ich bin ja sonst immer OV-Fanatiker, da hier aber auch die Filmvorlage in der Deutschen Synchro besser und lebhafter ist als das Original, kann ich auch gut den Roman mal auf Deutsch lesen.
Und jetzt? Schönes Wochenende.
Liest: "Metropolis - A History of the City, Humankind´s Greatest Invention", Ben Wilson // "Der Mahdi", Karl May
Spielt: Dreams in the Witch House, WRC Generations, M.E. Supercross 6, Rugby Union Team Manager 4, PGA Tour 2k2023