Das ist eine interessante Interpretation. Ich habe vor einigen Tagen endlich Chernobyl gesehen (die HBO-Serie). Die zeichnet genau diese systemische Korruption wunderbar und glaubhaft nach. Wenn das die Intention von King war, dann scheitert er - im Gegensatz zu Chernobyl - daran, das plastisch und nachvollziehbar zu machen. Denn das Institut geht nicht kaputt, weil die handelnden Personen in einem System innerer Zersetzung gefangen sind, sondern weil sie sich wie ausgemachte Vollidioten verhalten. Wenn Chernobyl nachzeichnet, wie die Verantwortlichen nahezu alle Rettungsmaßnahmen sabotieren, dann liefert es eine schlüssige Begründung: sie haben nichts zu "gewinnen", wenn die Katastrophe wirklich so schlimm ist wie befürchtet. Dann sind sie tot. Wenn nicht physisch, dann politisch - und damit wahrscheinlich auch bald physisch.Shenmi hat geschrieben: ↑Di 8. Okt 2019, 09:12Trotzdem wirken solche Nachlässigkeiten, dass eben ein Computer doch verfügbar ist, im Kontext des Romanes durchaus plausibel. Denn die Betreiber haben ja augenscheinlich nichts zu befürchten, selbst keine Ahnung von Technik und scheinbar fließen auch die Gelder nicht mehr wie früher.
Im Prinzip haben wir hier fast eine Art sozialistisches System - ich weiß nicht wie ich es besser ausdrücken soll - welches langsam verrottet, wie sie das nun einmal tun. Das halte ich für halbwegs plausibel
Für den Laptop hingegen gibt es nicht einen einzigen triftigen Grund - außer, dass der Plot ihn braucht. Es muss ja jemanden gegeben haben, der den Laptop a) gekauft b) die Seiten gesperrt und c) die Freischaltung durch Wertmünzen via Webcam integriert hat. Und derjenige hatte keine Ahnung von VPNs? Und arbeitet inzwischen auch nicht mehr dort, weil irgendjemand sagte: Alle, die sich mit moderner Technik auskennen, werden aus unserem hochgeheimen Forschungsinstitut, an dem die Zukunft der Menschheit hängt, entlassen - wir behalten nur die Köche, Hausmeister und Putzhilfen?
Aber die Wachmannschaften von Auschwitz sind doch nicht eines Morgens aufgewacht und hatten - upsi - zufällig vergessen, wie das mit dem Menschsein eigentlich geht. Da steckten jahrelange Propaganda, militärischer SS-Drill und ein national organisiertes System der Entmenschlichung dahinter. Ich habe keinen Zweifel, dass man Menschen dazu bringen kann, Kinder so zu behandeln und zu instrumentalisieren und de-humanisieren wie im Roman beschrieben. Ich glaube nur keine Sekunde, dass man es mit den dort beschriebenen Mitteln schafft.Ich hatte bei den Beschreibungen der Charaktere auch das Gefühl das sie recht klischeehaft sind, habe dann aber an die Bilder der Wachmannschaften von Auschwitz denken müssen. Da gibt es Aufnahmen wo sie gemeinsam in der Sonne liegen, zusammen Blaubeerkuchen essen oder an lauen Sommerabenden beim Biertrinken sitzen, während nebenan der Holocaust stattfindet.
Deswegen halte ich diese Charaktere auch für einigermaßen glaubwürdig, wenigstens in diesem Kontext
Ich glaube nicht, dass das ein Loblied auf den Waffenbesitz sein soll. King ist ja ein entschiedener Befürworter von schärferen Waffengesetzen. Es ist eher Teil des Ölzweigs, den er dem ländlichen Amerika reicht. DuPray ist das Gewissen Amerikas, und im entscheidenden Moment, im Angesicht des Bösen und der Unterdrückung, entscheidet es sich für das Richtige - und setzt die Waffen tatsächlich zu jenem Zweck ein, für den sie von der Verfassung einmal vorgesehen waren, nämlich zur Wehr gegen die Tyrannei.Ein bisschen heuchlerisch fand ich King dann aber auch, wenn er gleich hintendran ein Loblied auf den Waffenbesitz singt. "Der tolle Süden, wo jeder ne Knarre hat und gleich losballert...haha". Das fand ich extrem unnötig, obwohl ich auch schmunzeln musste