Danke lieber Falco, "Unterleuten" ist bisher unsere Überraschung des Jahres.
Das Buch hat mir in so vielen Aspekten gefallen, dass ich sie hier gar nicht alle aufzählen kann.
Sprachlich wunderbar gelungen, ich habe mir so viel markiert und auch aus dem Text so viel mitgenommen, worüber ich nachdenken kann.
Mit viel Feingefühl und tollem Sprachbildern, hat Julie Zeh mir auch klar gemacht, was die Wende und Wiedervereinigung für manche Menschen bedeutet haben, wie groß die Verluste waren. Auch bei den sogenannten Wende Gewinnern.
Es sind die vielen kleinen Geschichten, die das Ganze so glaubwürdig und anrührend machen. Wenn der Mann entdeckt das die Frau bei der Stasi war, die Loyalitäten wechseln, die Systeme, der Tod kommt, die Kinder oder eben die Einsamkeit.
Es war mal wieder sehr erfrischend,eben nicht die Welt zu retten oder große Helden zu begleiten, sondern einfach nur das normale Leben, Lieben, Leiden zu betrachten. Ganz toll!
Besonders hat mir das sehr Deutsche gefallen, dass aus jeder Pore tropft, selbst wenn es persifliert wird. Aber das sei mal dahingestellt.
Ich versuche ja seit meiner Kindheit zu ergründen was es ausmacht, dieses "Deutschsein" und ob ich es auch habe.
Unter diesem Aspekt hatte ich so viel Spaß an dem Buch, ich konnte es gar nicht weglegen.
Das die Figuren sooo überzeichnet sind, fand ich jetzt nicht mal, denn ich habe diverse Charaktere wiedererkannt.
Nehmen wir mal Gerhardt Fließ, bei dem ich sofort meine Frau gefragt habe, an wen der sie erinnert. Und sie wusste sofort wen ich meine.
Wir kennen nämlich so ein Ehepaar :
Sehr grün, total links, hassen die AfD und alles rechts der SPD. Klimaschutz ist Ehrensache, Energiewende toll und Flüchtlinge finden sie natürlich auch super.
Aber doch bitte nicht so nah, denn die beiden kleinen Töchter gehen selbstverständlich auf eine Privatschule, weil in den staatlichen Schulen der Ausländer Anteil so hoch ist!
Die Mädchen lernen Mandarin und zur Festigung des Gelernten laden sie die beiden einmal pro Woche für zwei Stunden bei uns ab, damit ich mit ihnen spielerisch üben kann.
Mir kommt es dabei immer so vor als ob ich die "Migranten Bekannte" bin, von der sie ihren Freunden bei der Weinprobe erzählen und mit der sie sich schmücken.
Gleichzeitig decken wir auch noch LBGT ab, eine Quotenlesbe gehört einfach zum guten Ton.
Dann geben sie uns immer ganz gönnerhaft ein bisschen Geld, weil jeder Migrant doch irgendwie zum Retten taugt!
Und wie die Lesben die sie sich immer so vorstellen, sehen wir auch nicht aus...Verkehrte Welt!
Oder wie Julie Zeh es ausdrückt:
Kathrin konnte sich vorstellen, wie er später im Kreis seiner Freunde, die vor lauter Individualität alle genauso aussahen wie er, die Anekdote mit den verrückten Dörflern vor dem märkischen Landmann zum Besten geben würde.
Dieses Ehepaar denkt und redet unglaublich links/grün, lebt aber eher nach CDU/CSU Manier, mit leichtem AfD Einschlag. Wir merken es auch immer wenn sie sich freuen, wie frei wir doch sind! Herrlich, wenn man dann einen Roman liest, in dem man solche Menschen wiedererkennt und das war ja jetzt auch nur ein Beispiel.
Mir hat es so gut gefallen, wie Julie Zeh diese Gemeinschaft seziert, verschiedene Schicksale beleuchtet, die Konflikte nachvollziehbar und erlebbar macht, sodass man auch einen Kron versteht, die Motive des Investors nachvollziehen kann und eigentlich von jedem den man im Roman antrifft.
Ich glaube, die Menschen vergessen manchmal, dass der andere auch nur ein Mensch ist und genau daran versuche ich mich jetzt immer wieder zu erinnern! Das habe ich daraus mitgenommen.
Morgen höre ich mir dann euren Podcast an und bin schon sehr gespannt darauf, was ihr davon haltet.